Bad Vilbel. „Von Kaufleuten, Rittern und mutigen Bürgern“ berichteten Marlene Schröder-Greim und Michael Bender, als sie 30 Interessierte durch die Stadt führten. Sie suchten Orte auf, an denen Geschichten, Anekdoten und Begebenheiten von einfachen Leuten und „Großkopferten“ ihren Ausgang genommen hatten.
Wer kennt schon die Geschichte vom Wirt des Gasthauses „Zum Hirschen“, Konrad Jakob, der auch Stadtrechner war. Am 21. Oktober 1849 brach er mit einem Begleiter nach Friedberg auf, um die Gemeindeeinnahmen abzurechnen. 16 000 Gulden hatte er in einem Lederbeutel bei sich. Während der Rast in einem Wirtshaus verschwand er mit dem Geld. Darauf erschien am 1. November im Vilbeler Anzeiger ein Steckbrief des etwa 43-jährigen, sieben Fuß großen Mannes mit flacher Stirn und struppigem Haar. Vergebens. Jakob und das Vermögen tauchten nie mehr auf. Die Zeche hatten Frau und Sohn zu bezahlen, denn sämtlicher Besitz wurde versteigert.
Ein geschäftstüchtiger Kaufmann war zweifellos Carl Brod, der nur nach einem Handbuch am 21. Juli 1900 einen Mineralbrunnen auf seinem Grundstück am Marktplatz 11 erbohrte. Er begründete den Heilbadbetrieb mit Trinkkuren für Blutarme und 35 Grad warmen Bädern – Herzkranke durften nur 30 Grad bekommen – in Badewannen aus Mahagoniholz. Auf der Suche nach einem klangvollen Namen für sein Wasser wählte er „Viktoria Melitta“ nach der Gemahlin des Großherzogs von Hessen. Dummerweise ließ dieser sich scheiden. So hieß die Quelle wieder einfach „Brod’scher Sprudel“. Dennoch geht aus den Badebüchern seiner vier Töchter hervor, dass allein 1902 sogar 55 Offiziere und 20 Unteroffiziere aus Frankfurt bei ihm badeten. Er wollte ein großes Badehaus in der Burg errichten. Als ihm dies verwehrt wurde, verhandelte er mit dem Frankfurter Oberbürgermeister Adickes über einen Verkauf seiner Quelle an Frankfurt. Der Erste Weltkrieg verhinderte dies. 1935 versiegte die Quelle. Brod verstarb in ärmlichen Verhältnissen.
Dem Ersten Weltkrieg verdankt die Stadt indirekt auch ihren Kurpark. Denn zusammen mit der darauf folgenden Arbeitslosigkeit, Inflation und Wirtschaftskrise war er schuld am Ende der Gärtnerei Siesmayer. Heinrich Siesmayer (1817 bis 1900), der mehr als 1000 Gartenanlagen im In- und Ausland gestaltet und als gläubiger Katholik Papst Leo I. 150 Bäume für die Vatikanischen Gärten geschenkt hat, betrieb am Südbahnhof einen riesigen Gartenbetrieb mit mehr als 200 verschiedenen Koniferen-, 500 Baum-, 1500 Strauch-, je 100 Beeren- und Rosenarten und vielem mehr. Als über Jahre nichts verkauft werden konnte, wuchsen die Pflanzen zu hoch. Zwar versuchten die zwei Söhne noch, sie an den Mann zu bringen, konnten den Konkurs 1931 jedoch nicht mehr abwenden. Sie stellten die Setzlinge unterschiedlichster, seltener Baumarten für die Pflanzung des Kurparks zur Verfügung.
Raubritter Bechtram, Friedrich Grosholz, die Sand- und Sprudelbuben, die die „Schätze“ der Stadt einst nach Frankfurt trugen, die Erbauer des Kurhauses und viele Menschen mehr wurden während der Stadtführung vorgestellt.
Eine schöne Geschichte ist jene der Sprudel-Apotheke. Als vor etwa 100 Jahren der Apotheker Mettenheimer das von seinem Vorgänger Eisenhut 1843 errichtete und baufällig gewordene Gebäude abreißen ließ, stand eine prächtige Akazie im Hof dem Bau des heutigen Jugendstil-Gebäudes im Weg. Zwei Tage ließ er zwei Kerle aus der Arrestzelle daran sägen, doch nichts bewegte sich.
Da beschloss er, den Baum heimlich in der Nacht zu sprengen. Er bohrte Löcher fürs Dynamit und zündete es. Zwei Polizisten, die auf ihrer Nachtstreife an der Friedberger Straße vorbeikamen, flogen aus einer Stichflamme Holz und Erde um die Ohren.
Ein langer Rechtsstreit darüber, wie diese Tat zu ahnden sei, endete mit einer Ordnungsstrafe über sechs Mark wegen groben nächtlichen Unfugs.
Weder Josef Sebald, der die Apotheke im Jahre 1938 übernahm, noch sein Sohn Kurt Sebald, der sie bis 1994 führte, noch der Nachfolger, Norbert Hohl, der sie seitdem betreibt, haben jemals wieder eine Akazie gepflanzt.