In seltener Einmütigkeit fordert das Parlament mehr Geld von Kreis und Land für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) warnt: Falls die hohen Kosten weiter fast komplett an der Stadt hängenbleiben, hat das für alle Bürger Folgen.
Karben. Das ist gleich mehrfach ungewöhnlich. Aus mehreren Vorschlägen machen die Stadtverordneten einen. Und dann stimmen die Volksvertreter, so streitlustig sie sonst gerne sind, einstimmig zu. „Da sind wir alle Karbener“, sagt Kai-Uwe Engel von der SPD.
Per Resolution wenden sich Karbens Stadtverordnete an Kreis und Land. Sie fordern, dass die Stadt genug Geld erhält, um die Unterbringung und Betreuung der inzwischen 110 Flüchtlinge zu bezahlen. Bislang ist das für die Stadt ein massives Zuschussgeschäft: Im Jahr 2014 habe die Stadt 100 000 Euro ausgeben müssen, erklärt Rahn. „Dieses Jahr werden es 200 000 Euro.“ Zudem stelle die Kommune eine halbe Arbeitskraft aus dem Rathaus für die Koordination zur Verfügung.
Die Kosten dafür aber erhält die Stadt bisher nicht vollständig erstattet: Auf mehr als der Hälfte der Kosten bleiben die Karbener sitzen, der Wetteraukreis zahlt die Forderungen nicht. Längst ist eine Klage der Stadt gegen den Kreis beim Gießener Verwaltungsgericht anhängig.
Urteilstermin offen
Gerade vor wenigen Tagen hat das Gericht dem Kreis einen ausführlichen Fragenkatalog dazu übersandt, erklärt Richter Reinhard Ruthsatz, der Sprecher des Gerichts. „Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest und kann noch nicht abgesehen werden.“
Schon jetzt kündigen Karbens Stadtverordnete in ihrer Resolution an, dass sie weiter klagen wollen, falls die Stadt verlieren sollte. CDU-Fraktionschef Mario Beck geißelt das Vorgehen von Landrat Joachim Arnold (SPD) scharf. Selbst der Hessische Städtetag beurteile dessen Handeln als „immer absurder“ und „von Willkür nicht mehr frei“. Der Städtetag prüft inzwischen sogar, ob Arnold den Strafbestand der Nötigung erfülle. Denn der Landrat lässt jenen Kommunen, die einen Vertrag über die Flüchtlingsbetreuung mit dem Kreis abgeschlossen haben, mehr Geld auszahlen als jenen, die sich weigerten.
Die Hälfte der Kommunen hat deshalb Nein gesagt, weil selbst mit Vertrag noch viele Kosten in den örtlichen Kassen hängenbleiben. Inzwischen setzt der Landrat noch eins drauf. Das Land hatte unlängst die Pauschale für die Flüchtlingsunterbringung um 90 auf 652 Euro pro Person und Monat erhöht. Das Geld erhält der Kreis. Von der Erhöhung gebe der Kreis nur 30 Euro an die Kommunen weiter – und zwar nur jene, die vertraglich die zu niedrigen Kostenerstattungen akzeptiert hatten. Die anderen Städte und Gemeinden gehen laut Bürgermeister Rahn leer aus, so Karben.
Steuererhöhung droht
Die Volksvertreter fordern einmütig, dass die Kosten für die Flüchtlinge nicht an der Stadt hängenbleiben dürfen. Rahn warnt: „Falls wir die Kosten nicht vollständig erstattet bekommen, werden Steuererhöhungen nötig oder wir müssen freiwillige Leistungen streichen.“ Es könne nicht sein, dass globalpolitische Probleme wie die massenhafte Zuflucht von Menschen nach Europa „auf Kosten der Kommunen finanziert werden“. (den)