Lasst uns über Religion reden! Die erneuten Anschläge gegen Meinungsfreiheit und Karikaturisten fordern uns heraus, über die großen Religionen zu reden. Ihre heiligen Schriften mussten immer wieder her halten, um terroristische Aktionen oder Handlungen gegen Menschenrechte zu legitimieren. Zur Genüge haben wir in letzter Zeit Texte aus dem Koran gehört, die von islamistischen Terroristen benutzt werden, um Menschen anderen Glaubens zu töten.
Auch das Christentum und das Judentum sind nicht frei von Texten, die zum Töten von Andersgläubigen aufrufen. Unser Altes Testament schildert schaurige Geschichten, die von Mord und Totschlag im Namen Gottes handeln. Das Neue Testament konnte im Mittelalter unsere christlichen Vorfahren nicht davon abhalten, Kreuzzüge zu führen. Im Matthäusevangelium 10,34 sagt Jesus: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Und im Lukasevangelium 19,27: „Doch jene meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrsche, bringet her und machet sie vor mir nieder.“
Zum Glück gibt es seit dem 18. Jahrhundert die historisch kritische Methode. Johann Salomo Semler betonte 1771 als erster eine „freie Untersuchung“ der biblischen Schriften. Von nun entwickelte sich eine Methode, die mit kritischem Verstand und wissenschaftlichem Hintergrund biblische Texte erforschte. Man konnte viele grausame Texte „entschärfen“, indem man sie als Zeugen ihrer Zeit verstand und nicht mehr als allgemeingültige Texte, nach denen sich Gläubige zu richten haben. Gleichzeitig stellte sich die Frage, was denn heute noch Gültigkeit habe.
So ist jeder Gläubige aufgerufen, Rechenschaft abzulegen, durch welche Brille er seine Heilige Schrift liest. Zwei Aussagen von Jesus sind zentral: Das Doppelgebot der Liebe: Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst. Sowie die Goldene Regel, die in allen großen Weltreligionen vorkommt: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen ebenso. Wer so seinen Glauben lebt, kann gar nicht anders, als sich für Frieden und Gewaltfreiheit einzusetzen.
Herzlichst Ihr
Pfarrer Eckart Dautenheimer,
Burg-Gräfenrode und Okarben-