Seit dem 1. Januar gilt das neue Mindestlohngesetz. Natürlich steigt mit einem neuen Gesetz, das mit Ausnahmen und Fristen durchzogen ist, auch schnell die Verwirrung. Wer kriegt denn jetzt eigentlich das Geld und wie viel? Müssen Betriebe sich nun personell neu aufstellen oder sogar noch die Preise erhöhen?
Bad Vilbel. Der Mindestlohn beträgt brutto 8,50 Euro pro Stunde. In fast allen Branchen muss seit dem Beginn diesen Jahres nun dieser Betrag gezahlt werden. Doch bekanntlich bestätigen Ausnahmen die Regel, so gelten für einige Branchen noch verschiedene Übergangs-Tarifverträge. Friseure und auch Land- und Forstwirtschaft sind unter anderem davon betroffen. Trotzdem sollen auch diese Branchen spätestens zum 1. Januar 2017 den Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Einige Personengruppen sind aus dem Gesetz ausgenommen. Ehrenamtliche Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf einen Mindestlohn. Doch auch Pflichtpraktikanten im Zuge einer Ausbildung oder eines Studiums sowie freiwillige Orientierungspraktika werden weiterhin nicht vergütet.
Auch Langzeitarbeitslose haben erst sechs Monate nach der Aufnahme einer Tätigkeit Recht auf den Mindestlohn. Hier wird am Gesetz bemängelt, dass einige Arbeitgeber ihre Angestellten pünktlich wieder kündigen könnten, um eine Mindestlohnzahlung zu vermeiden. Auch wird das Gesetz gerne als „Arbeitsplatzkiller“ kritisiert, da manche Betriebe vielleicht Mitarbeiter entlassen müssen, um die übrigen entsprechend zu bezahlen. Auch könnten Gastronomiebetriebe oder Dienstleister ihre Preise erhöhen, um die zusätzlichen Ausgaben decken zu können.
In der Metzgerei Lukarsch sieht der Chef der Problematik aber eher gelassen entgegen: „Bei uns bekommen die Mitarbeiter bereits mehr Geld, deshalb wird sich hier nichts ändern“, erklärt Jochen Lukarsch. Doch als erfahrener Unternehmer hat er natürlich einen professionellen Blick auf den Mindestlohn: „Grundsätzlich ist das eine gute Sache, um Ausbeutung vorzubeugen. Allerdings besteht die Gefahr, dass 400-Euro-Jobber deshalb entlassen werden müssen“, äußert er seine Bedenken. Auch bei der Bäckerei Rumpf in Dortelweil ändert der Mindestlohn kaum etwas. Alle Mitarbeiter würden sowieso schon ausreichend bezahlt, weshalb die Mindestlohndebatte völlig am ihnen vorbei gezogen sei. „Wir haben uns da bisher noch keine großen Gedanken drüber gemacht“, sagt die Familie Rumpf.
Gutes Geld, gute Arbeit
Der Friseur Thomas Horinek hat sich dagegen schon deutlich mehr mit dem Thema befasst: „Wer Leute gut bezahlt, kann eben auch gute Arbeit erwarten“, erklärt er. Seine Frau Nicole pflichtet ihm bei: „Unsere Mitarbeiter verdienen sowieso schon mehr, das Thema hat uns bisher also nicht gestreift.“
Thomas Horinek hat zu dem Thema allerdings noch eigene Ideen: „Ich bin schon öfter in Fachzeitschriften zitiert worden, denn ich bin der Meinung, dass die Friseurbranche eher einen Mindestdienstleistungspreis bräuchte. Denn, wer nur zehn Euro für einen Haarschnitt verlangt, kann seinen Mitarbeitern natürlich keinen rechtmäßigen Lohn zahlen. Auch liegen die 8,50 Euro Mindestlohn noch deutlich zu niedrig, wie ich finde“, erklärt Horinek. So wird sich auch in seinem Geschäft in Bad Vilbel vorerst nichts ändern.
Eine breit vertretene Branche in Bad Vilbel ist die Gastronomie. Auch in der Brasserie „Phil Bell“ in der Frankfurter Straße verdienen die Mitarbeiter bereits mehr, doch wird die Gastronomin und Inhaberin Corinna Ringkowski durch das neue Gesetz vor ganz andere Probleme gestellt: „Das Dokumentieren von Pausen und Arbeitszeiten kommt jetzt auf uns zu. Das ist ein enormer zusätzlicher Aufwand, der viel Zeit benötigt, und die haben wir in der Gastronomie nun einmal nicht“, ärgert sie sich. „Wir wollen ja möglichst am Gast arbeiten und nicht ständig irgendwelche Protokolle ausfüllen“, schildert Corinna Ringkowski weiter.
Der Mindestlohn ist also auch in Bad Vilbel angekommen, auch wenn die Auswirkungen hier wohl eher gering sind. Dennoch ist der Mindestlohn sicherlich kein schlechter Anfang, um einer Ausbeutung von Mitarbeitern vorbeugen zu können, auch wenn das Gesetz noch etwas mehr Feinschliff benötigt, wie Ringkowski vom „Phil Bell“ klar anführt.
Im vorderen Drittel
Deutschland zieht endlich mit. Neben Norwegen und Russland ist Deutschland eines der letzten europäischen Länder ohne den Mindestlohn. Dänemark, Italien und Schweden haben jeweils eigene Alternativen zu einem Mindeslohngesetz gefunden. Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro liegt Deutschland im vorderen Drittel der Mindestlohntabelle. Diese wird von Luxemburg angeführt, dort verdient man 11,10 Euro pro Stunde (Stand: März 2014). Schlusslicht ist Bulgarien, denn dort beträgt der Mindestlohn nur 1,04 Euro pro Stunde. Weitere Informationen sind im Internet unter www.mindestlohn.de zu finden. (nma)