Um das Hausarzt-Angebot in Karben trotz Ärztemangels zu halten und möglichst aus- zubauen, haben Stadt und Ärzteschaft einen Runden Tisch ins Leben gerufen. Viel kann die öffentliche Hand nicht bewirken: Das Problem müssen die Ärzte untereinander lösen.
Karben. 130 bis 160 Prozent der durchschnittlichen Patientenzahl eines hessischen Hausarztes muss jeder der Karbener Doktoren abarbeiten: Laut Daten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) versorgt jeder der sieben Karbener Hausärzte mehr als 1300 Patienten. Im Landesschnitt sind es nur 876.
Vor einigen Jahren hatte ein Arzt seinen Sitz nach Reichelsheim verkauft. „Wir müssen aufpassen, dass keine weiteren Arztsitze abwandern“, sagt Carsten Lotz von der KV. Daran wollen Stadt, KV und Ärzte gemeinsam arbeiten: Sie haben einen Runden Tisch zum Hausarztmangel ins Leben gerufen.
„Wir müssen erstmal unsere Hausärzte halten und danach versuchen, weitere Hausärzte nach Karben zu holen“, findet Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Denn drei der Karbener wollten in nächster Zeit aus Altersgründen aufhören. Damit könnte sich die Lage noch weiter verschlimmern: Insgesamt sei Hessens Ärzteschaft mit durchschnittlich 58 Jahren überaltert, erinnert Carsten Lotz – wobei diese Zahl schon zwei Jahre alt sei.
Statistisch überversorgt
Damit sind die Prioritäten klar: „Wir müssen erst Nachfolger finden und danach eventuell einen Arzt aus Bad Nauheim oder Friedberg herholen“, weiß Lotz. Im Nachbarkreis Main-Kinzig habe ein Runder Tisch Derartiges erfolgreich umgesetzt: Es hätten sich zehn Mediziner binnen eines Jahres niedergelassen.
Daran arbeite die KV in Karben mit: „Ich kann nichts versprechen, aber wir versuchen, die Köpfe in Karben zu halten“, sagt Lotz. Die KV-Mitarbeit ist nötig, denn ein Teil des Problems liegt in den Strukturen: Im KV-Bezirk, zu dem Karben gehört, gibt es zehn Prozent zu viel Hausärzte, erklärt Carsten Lotz. Die Basiszahlen seien gesetzlich festgelegt. „Der Bezirk hat statistisch eine Überversorgung, während Karben unterversorgt ist“, räumt der KV-Mann ein. In Friedberg und Bad Nauheim gibt es zu viele Doktoren pro Einwohner.
Wie aber soll das in der Praxis funktionieren? „Wenn eine gehbehinderte Neupatientin abgewiesen wird“, fragt das Okarbener SPD-Ortsbeiratsmitglied Milos Dotlic, „wohin muss sie dann gehen?“
Dann werde sie an eine Praxis verwiesen, die ihre Fallzahlen noch nicht erreicht habe, erklärt der Okarbener Allgemeinmediziner Dr. Jürgen Fehr. Es sei „ein bisschen weltfremd, dass sich ein Karbener einen Hausarzt in Friedberg oder Bad Nauheim suchen soll“, findet Bürgermeister Rahn. „Aber die gesetzliche Vorgabe ist so.“
Hausärzte fehlen
Deshalb winkt Carsten Lotz auch ab, als SPD-Vorsitzende Christel Zobeley auch noch einen Neurologen für Karben fordert: „Da gibt es auf Landkreisebene schon eine deutliche Überversorgung.“ Zu viele Patienten zu betreuen, sei für einen Hausarzt sogar finanziell unattraktiv, erläutert Dr. Fehr: Für Patienten über der Durchschnittsanzahl erhielten sie prozentual immer weniger Geld ausbezahlt, obwohl die realen Kosten der Praxis stetig stiegen. „Irgendwann macht ein Arzt sogar Minus.“
Unterm Strich sei es am wichtigsten, den Arztberuf attraktiver zu machen. Dazu habe die Ärzteschaft in der westlichen Wetterau beispielsweise frühzeitig durch einen gemeinsamen Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) für nachts und wochenends in Bad Nauheim beigetragen, erinnert Dr. Fehr.
„Junge Ärzte wollen auch ’mal Feierabend haben und nicht 24 Stunden auf Abruf sein.“ Diese Entlastung biete die Bereitschaftsdienstzentrale. Auch Ärztehäuser könnten die Attraktivität des Berufs eines Hausarztes steigern, erklärt Carsten Lotz. „Der Trend wird dahin gehen“, stimmt Dr. Fehr zu. Denn zum einen gehe die Risikobereitschaft junger Ärzte zurück, zum anderen zwinge der Ärztemangel die Doktoren zur Kooperation.
Was aber, fragt SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Görlich, könne die Stadt tun, um attraktiv zu sein für Ärzte? „Das richtet sich sehr individuell nach den Bedürfnissen des Arztes“, erklärt Carsten Lotz. Vielleicht brauche der eine Gewerbeimmobilie, einen Bauplatz oder einen Kindergartenplatz. Vor allem aber müsse man das Problem bekanntmachen, findet Bürgermeister Rahn: „Kein Arzt denkt doch, dass Karben ein Mangelgebiet ist.“ (den)