Für die Heilsbergerin Anne Gegenmantel war es ein Wechselbad der Gefühle. Bei der Europameisterschaft im Irish Dance zerriss ihr Kleid, doch am nächsten Tag holte sich die 15-Jährige in Düsseldorf souverän den Weltmeistertitel.
Bad Vilbel. Tanzen – das ist für Anne Gegenmantel mehr als ein schönes Hobby. Bereits im Kindergarten fing sie mit Ballett an, fand das aber bald „zu ruhig“, wie sie sich erinnert. Dann kam die Grundschulzeit in Kanada, wo sie in der zweiten Klasse vom Irish-Dance-Fieber angesteckt wurde und in Toronto an einem ersten Wettbewerb teilnahm.
Der Stepptanz fasziniert sie seit acht Jahren – der schnelle Rhythmus, das Klackern der Schuhe, aber auch die Vielseitigkeit. Getanzt wird mit hartem und weichem Schuhwerk, in der Gruppe und einzeln. Schon damals habe sie einen Traum gehabt, verrät Anne: „Ich will die Tanz-WM gewinnen!“
Fast wie Fliegen
Vor allem die temperamentvollen Rhythmen haben es ihr angetan. „Wenn man richtig schnell über die Bühne läuft, da fliegt man wirklich“, schwärmt sie. Das größte Handicap auf dem Weg zum Erfolg: es gibt in der Region kaum Trainingsmöglichkeiten für Irish Dance. Anne fing bei einer Tanzschule in Wiesbaden an, doch als sie sich immer weiter verbesserte, reichte das nicht mehr. Dort sei auch eher auf Show-Aufführungen trainiert worden; aber Anne suchte den Wettbewerb.
Deswegen ist ihr Trainingsdomizil jetzt zwei, drei Mal monatlich ein Tanzstudio in Bonn. Sonntags wird dann sechs Stunden am Stück trainiert. Zusätzlich wird auf dem heimischen Parkettboden geübt – täglich eine halbe Stunde, vor Wettbewerben eine ganze Stunde. Das hat Folgen. Im Keller ihres Elternhauses hat Anne ein Übungs-Parkett. „Das ist in drei Jahren durchgetanzt“, stellt Mutter Antje Gegenmantel fest, die die Leidenschaft ihrer Tochter nach Kräften unterstützt.
Im Januar 2013 begleitete sie Anne zu ihrem Gast-Auftritt bei der Tanzshow „Magic of the Dance“, wo sie mit internationalen Stepp-Größen wie Bryan Berry und Colette Dunne auf der Bühne der Alten Oper Frankfurt stand. „Plötzlich stand ich mit meinem Vorbild Emily Penner auf der Bühne. Das war Wahnsinn“, erinnert sie sich. Emily Penner lernte ihr Handwerk auf der gleichen Tanzschule wie Anne, der Butler Fearon O’Connor School of Irish Dance in Kanada. Dabei geht es sehr sportlich zu. Schnell sein, hoch hüpfen, sich dabei drehen und auf Zehenspitzen laufen können. Dieses Tanzgefühl hat Anne so sehr verinnerlicht, dass sie 2012 sogar die irische Meisterschaft in der Heimat des Stepptanzes gewann. Kürzlich stand sie dann in Düsseldorf bei der World & European Championship des Irish Dance auf der Bühne, mit viel Konkurrenz aus aller Herren Länder.
Und es begann mit einem Schock. Anne blieb mit ihren „Hard Shoes“, den Steppschuhen, im Kleid hängen und es riss. Dennoch war sie auch für die Weltmeisterschaft am nächsten Tag qualifiziert – und holte sich mit vier Tänzen bei den fünf Juroren den WM-Titel in der U 16. „Das war echt purer Stress“, blickt Anne zurück. „Ich habe versucht, vorher etwas zu essen, aber gar keinen Hunger. Und ich habe meine Lieblingslieder gehört.“ Extra aus Frankfurt kamen zwei Freundinnen zur Unterstützung angereist – dort besucht die 15-Jährige das Goethe-Gymnasium.
Kaum Zeit für anderes
Aber auch ohne Turnierstress bleibt der Heilsbergerin kaum Zeit für andere Hobbys. Früher habe sie noch Klavier gespielt, erzählt sie. Dafür hat sie im vergangenen Sommer einen ungewöhnlichen Ausgleichssport gefunden, um ihre Kondition zu verbessern, das Rudern beim Offenbacher Verein Undine. Denn sie hat den Ehrgeiz, den WM-Titel zu verteidigen.
Ganz in Richtung Profisport aber soll es nicht gehen. Anne möchte erst einmal studieren, vielleicht Betriebswirtschaft. Auch da hat sie schon erste Erfahrungen gesammelt, machte ein Schüler-Studium an der Frankfurter Uni. Was Anne immer noch wundert, ist, dass ihr Sport hierzulande kaum wahrgenommen wird. Sie geht gerade zur Firmung und musste einen Termin ausfallen lassen wegen der Weltmeisterschaft, was ein Mitfirmling erst für eine Ausrede hielt. Doch dafür hat Anne unter ihren Irish-Dance-Mitbewerbern auch Freunde aus Holland, England und den USA gefunden, die ihre Passion auch ohne viele Worte teilen.