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Faustschläge und Pfefferspray

Zum wiederholten Male wurde ein Discounter in Bad Vilbel von einem Kunden mit Pfefferspray heimgesucht. Der Schock beim Marktleiter saß auch bei der Gerichtsverhandlung tief, Psychologen kümmern sich um das Opfer.

Bad Vilbel. Der Ladendetektiv und der Marktleiter des Netto-Marktes in Bad Vilbel staunten nicht schlecht, als sie im Juli vergangenen Jahres einen 37-jährigen dabei beobachteten, wie er 18 T-Shirts in seinen Sportbeutel stopfte und durch eine unbesetzte Kasse schnellen Schrittes dem Ausgang zustrebte. Man konnte den Ladendieb aber am Verlassen des Marktes hindern – allerdings um den Preis, von ihm jeweils eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu bekommen. Der Marktleiter bekam auch noch fünf Faustschläge ins Gesicht.

Spätes Reuezeichen

Besonders tragisch: Schon bei einem ähnlichen Zwischenfall einige Zeit zuvor geriet er in Mitleidenschaft und trug vor allem psychische Folgen davon. Überall wähnte er gewalttätige Ladendiebe, sogar wenn er nachts in der eigenen Wohnung auf die Toilette ging. Nach dem Juli-Vorfall wurde es besonders schlimm. Er musste in der Psychiatrie behandelt werden und ist seither nicht mehr arbeitsfähig. Am Dienstag erzählte er davon vor dem Frankfurter Amtsgericht. Der 37-Jährige musste sich wegen Diebstahls mit Waffen (Pfefferspray-Dose) sowie gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Dabei entspann sich zunächst einmal ein Katz- und Mausspiel. Der Angeklagte hat nämlich einen Zwillingsbruder, der nur minimal kräftiger als er ist, ansonsten aber gleich ausschaut. Und deshalb geriet der Ladendetektiv im Zeugenstand zumindest kurzzeitig ins Straucheln. Amtsrichter Michael Matzack aber hatte vorsorglich die Fingerabdrücke des Bruders begutachten lassen. Und diese waren nicht an den T-Shirts aus dem Supermarkt festzustellen, wohl aber die des Angeklagten. Im Verlauf der Verhandlung ließ die Staatsanwältin schließlich durchblicken, dass sie auch einen räuberischen Diebstahl für möglich hält. Deshalb drohte die Sache auch zum Schöffengericht oder sogar zum Landgericht verwiesen zu werden. Da lenkte der Angeklagte auf Rat seines Verteidigers ein und legte ein Geständnis ab. Und kurz vor Schluss der Beweisaufnahme kam auch noch eine Entschuldigung an die Adresse der Opfer.

Auch er leide unter der Tat und könne sich beim allerbesten Willen nicht erklären, wie es zu dem Ladendiebstahl gekommen sei, sagt der Angeklagte. Seine für 37 Lebensjahre noch erstaunlich schmale Vorstrafenliste zeigte, dass es sich nicht um einen Serienkriminellen handelte.

Staatsanwältin Dr. Alix Nickel konnte unter diesen Vorzeichen noch für eine Bewährungsstrafe votieren – heraus kamen am Ende neun Monate und 80 Stunden gemeinnützige Arbeit, also wahrscheinlich nicht gerade als Regalauffüller im Supermarkt. (ger)