Einst kam eine Frau aus dem Nachbarland Israels zu Jesus und bat ihn ihre Tochter zu heilen. Und Jesus antwortete: „Was habe ich mit dir zu schaffen. Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ Das hätte man jetzt auch nicht gedacht: Jesus der Ausländerfeind. Auch er wusste damals schon: Jeder Ausländer der zu uns kommt belastet unsere Sozialsysteme und irgendwann, wenn es zu viele werden, dann müssen unsere Kinder hungern. So sind wir Menschen halt und Jesus war da nicht anders: „Fremde, bleibt mir fort damit, wir genügen uns selbst.“
Nun ist diese Frau, wie wir das ja schon immer von Fremden vermutet haben, aufdringlich und lässt sich nicht so einfach abwimmeln. Sie bettelt, fleht, vielleicht schreit sie sogar. Wie das die Afrikaner machen, wenn sie sich in kleine Boote zwängen und auf abenteuerliche Weise übers Mittelmeer nach Europa kommen.
Okay, die Frau aus dem Nachbarland kämpft um das Leben ihrer Tochter, das kann man ja verstehen. Und den vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen geht es nicht anders: Sie kämpfen ums Überleben! … aber bei uns? Hoffentlich macht das Jesus der Frau nun deutlich: Was kann ich dafür, wenn ihr keine guten Heiler habt? Was können wir dafür, wenn bei euch nur Korruption herrscht, der Regen ausbleibt und ihr nicht wirtschaften könnt.
Ja gewiss, damit wir gut leben können, zahlen wir nicht gerade viel für die Rohstoffe, die aus euren Ländern kommen. Mag ja sein dass da auch eine Wurzel eurer Armut liegt aber …
Nun Jesus lässt sich den Kampf ums Leben der Tochter doch zu herzen gehen und bewundert die Frau, die er eben noch als eine Hündin beschimpft hat und sagt: Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden. Eine Hundertachtziggradwende: Vom Fremdenfeind zum Bewunderer. Das gelingt ihm, weil er sich auf diese Frau dann doch noch eingelassen hat. Und vielleicht können wir uns ja da von Jesus ein wenig anstecken lassen und mit den Fremden Menschen entdecken, die einfach prächtig sind.
Pfarrer Werner Giesler
Evangel. St. Michaelis-Kirche
Klein-Karben