Das Foto hatte Symbolwert: Das knallgelbe ADAC-Pannenauto war hochgebockt, der Kofferraum stand offen, ein gelber Engel wechselte den Reifen seines eigenen Dienstfahrzeugs. Deutschlands größter Automobilclub, über Jahrzehnte ein vertrauensvoller Helfer in der Not, braucht nun selbst Hilfe. Nicht nur in Deutschlands mitgliedsstärkstem Verein ist Vertrauen verloren gegangen. Auch viele respektierte Personen mussten öffentlich Federn lassen.
Selbst engagierte Frauenrechtlerinnen, selbstbewusste Fußballpräsidenten und Schatzmeister von Volksparteien kann es treffen. Von ihnen hätten wir Steuerbetrug und beschönigte Zahlen nie erwartet! Auch die Kirche kam nicht ungeschoren davon. Eine überteuerte Badewanne wurde zum Symbol für Geldverschwendung und fehlende Glaubwürdigkeit.
Noch viel schlimmer trifft uns der Vertrauensverlust aber im persönlichen Bereich. Das merke ich in meiner täglichen Arbeit. Dort, wo in Familien Porzellan zerschlagen wurde oder eine Beziehung zu Bruch gegangen ist. Gerade, wenn sich Menschen besonders nahe stehen, gehen die Wunden tief. Hat man jemandem sehr vertraut, schmerzt eine Unwahrheit besonders.
Damit ein echter Neuanfang gelingt, muss die Wahrheit ausgesprochen werden – „hart, aber fair“. Jeder hat eine zweite Chance verdient! Das ist freilich nicht mit dem Prinzip „Schwamm drüber“ zu verwechseln. Die Mitgliedszahlen des ADAC werden erst wieder steigen, wenn der Skandal ordentlich aufgeklärt wurde. Auch privat wird Versöhnung oft erst dann möglich, wenn man erkannt hat, dass man selbst vielleicht auch ein Sturkopf gewesen ist. Das zuzugeben, ist nicht einfach und dauert oft ziemlich lange. Wir erleichtern es unserem Gegenüber, wenn wir den Anfang machen. Der zweite Schritt ist dann fast immer leichter als der erste. „Hart, aber fair“ – auch uns selbst gegenüber. Das trägt dazu bei, dass neues Vertrauen wachsen kann.
Ihr Vikar Daniel Lenski,
Burg-Gräfenrode und Okarben