Nachdem CDU, CSU und SPD sich in Berlin auf einen Koalitionsvertrag für die Bundesregierung einigen konnten, steht bundesweit die Mitgliederbefragung der Sozialdemokraten bevor. Auch in der Wetterau machen sich die SPD-Mitglieder rege Gedanken. Bis zum 12. Dezember haben sie Zeit, sich eine Meinung zu bilden oder andere zu überzeugen.
Bad Vilbel/Karben. Nicht weniger als 185 Seiten liegen vor den SPD-Mitgliedern und warten darauf studiert zu werden. Um seinen Parteimitgliedern genügend Zeit zu geben, sich eine detaillierte Meinung zu bilden, hat der Bad Vilbeler Ortsverein bewusst einen späten Termin für eine gemeinsame Veranstaltung zum Diskutieren und Beratschlagen ausgewählt.
Am 7. Dezember (Samstag) treffen sie sich. „Ich bin gespannt, ob man dort auch Mitglieder trifft, die man sonst eher selten sieht“, sagt Udo Landgrebe in Anbetracht der einzigartigen Situation, dass eine gesamte Parteibasis über den Koalitionsvertrag der Bundespitze abstimmen darf. Er selbst hat noch keine abschließende Meinung.
Wie viele seiner Genossen nimmt er sich Zeit, um den Vertrag genauestens zu lesen: „Dann werde ich sehen, ob sich darin das wiederfindet, für das wir geworben haben.“ Doch auch wenn einige Punkte, wie fehlende Reichensteuer und dem Zweifel an der Finanzierung von Infrastrukturprojekten, ihm ein Dorn im Auge sind, rechnet er mit einem positiven Ergebnis, glaubt jedoch, dass es knapp werden wird. Eine Wahlempfehlung will er seinen Parteifreunden dabei jedoch nicht aussprechen.
Einen Tag nachdem die Bad Vilbeler SPD sich zum Diskutieren getroffen hat, versammeln sich die Karbener Parteifreunde. Wie viele mittelhessische SPD-Mitglieder war auch die Karbener SPD-Vorsitzende Christel Zobeley mit vielen Kollegen am vergangenen Donnerstag auf der Regionalkonferenz mit Sigmar Gabriel in Hofheim.
Zobeley freut es, dass wichtige sozialdemokratische Themen Einzug in den Vertrag gefunden haben. Zwar hätte sie sich vor allem zum Thema Mindestlohn eine klarere Formulierung gewünscht, doch weiß sie, dass in den Verhandlungen Kompromisse eingegangen werden mussten. „Das gehört zur Demokratie dazu.“
Derzeit tendiert sie vage dazu, dem Vertrag zuzustimmen, möchte jedoch erst noch die kommenden „spannenden Diskussionen“ abwarten. Ein klein wenig Kopfzerbrechen bereitet ihr auch die Frage, welche Auswirkungen es auf die Partei hätte, wenn die Mitgliederbefragung scheitert und ist sich unabhängig der Inhalte des Koalitionsvertrages bewusst: „Das muss in die Überlegungen einbezogen werden.“
Der Parteinachwuchs ist da anderer Meinung. „Ein „Nein“ wäre mutig, aber auch davon ginge Deutschland nicht unter“, ist sich Karbens Jungsozialisten-Vorsitzender Oliver Lietz sicher. Als prinzipieller Gegner einer großen Koalition wollte er bislang ablehnen: „Die Frage ist, ob der Koalitionsvertrag mich doch überzeugen kann“, zeigt sich Lietz aufgeschlossen. Sein erster Eindruck überzeugt ihn nicht. „Die wichtigsten Punkte stehen unter Finanzierungsvorbehalt und werden ohne Steuererhöhungen kaum möglich sein“, schildert Lietz seinen Eindruck und spricht von „leeren Versprechen“ und „faulen Kompromissen“.
Deutlich positiver eingestellt ist dagegen der Landrat des Wetteraukreises, Joachim Arnold: „Die getroffene Vereinbarung ist ein großer Erfolg für die Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland“, sagt er und sieht besonders die Kommunen gestärkt.
Nach einer ersten Durchsicht des Koalitionsvertrages freut es ihn besonders, dass Kommunen von Sozialausgaben entlastet würden und ein klares Bekenntnis zur Bewahrung der Wasserversorgung vor EU-Politischen Einschränkungen festgelegt sei. Auch die Zusage, dass Länder und Kommunen mit weiteren sechs Milliarden Euro für den Ausbau von Krippen, Kitas und Schulen unterstützt werden, sorgt für seine sichere Zusage zur großen Koalition. „Aus der Perspektive der Kommunen ist das ein längst überfälliges und gutes Ergebnis“, so Arnold abschließend. (rin)