Zu dem Artikel „Rückkehr zu G9“ in der Karbener Zeitung vom 3. Oktober 2013 erreichte uns nachfolgender Leserbrief:
Rückkehr zu G9 – welch ein Wahnsinn!
„Lehrer, Eltern und Schüler der Kurt-Schumacher-Schule rücken vom Turbo-Abitur ab.“ Allein der Begriff „Turbo“-Abitur macht deutlich, wie sehr dieser politische Kampfbegriff (GEW, SPD, Landeselternbeirat u.a.) alle positiven Erfahrungen mit G8 und damit einer 12-jährigen Schullaufbahn mit dem Abitur als Abschluss aus ideologischen Gründen, aber auch aus völliger Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten zunichte macht!
Fast alle großen Industrienationen, aber auch fast alle Bundesländer halten seit vielen Jahren eine 12-jährige Schullaufbahn mit dem Abitur als Abschluss für völlig ausreichend und akzeptabel. Was hier in Hessen und in Karben als nicht tolerabel für Schülerinnen und Schüler vorgebracht wird, ist m.E. überwiegend aus der Luft gegriffen. So wird behauptet, dass Schüler von 8.15 bis 17.35 Uhr „pro Tag maximal ihre Lehranstalt“ besuchen. „Natürlich drücken sie nicht durchgehend die Schulbank“.
Nun wird behauptet, dass eine derartige Belastung den Schülern, Lehrern und Eltern in Karben „endgültig zu viel“ sei. Festzuhalten ist allerdings, dass Schüler der gymnasialen Mittelstufe dieses extreme Zeitfenster überhaupt nicht zu ertragen haben. Für die Oberstufe gilt dies eher, und das bei G8 oder G9 gleichermaßen. Nun aber was für eine fadenscheinige Begründung: „G9 lässt unsere Schüler besser reifen,“ erklärt Schulleiter Franz Wild, der jahrelang aus gutem Grund eine andere Auffassung vertrat. Übrigens von wegen „reifer“, wo Jugendliche doch schon mit 17 Jahren mit dem Auto fahren dürfen. Ist das eine andere Reife?
Weiterhin behauptet der Schulleiter, die eigenen Erfahrungen mit beiden Systemen wie auch die Erfahrungen anderer Schulen mit ihrer Rückkehr zu G9 sei in die einstimmige Entscheidung der Schulkonferenz eingeflossen. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass der letzte G8-Jahrgang im Abitur besser als der G9-Jahrgang abgeschnitten hat. Welche konkreten Untersuchungen hat die Kurt-Schumacher-Schule denn angestellt, deren vorgeblich negativen Ergebnisse eine Rückkehr zu G9 zwingend erforderlich machen? Wenn der Vorsitzende des Schulelternbeirats, Marcus Poggenpohl, äußert, bei G8 sei der Stressfaktor sehr hoch und die individuelle Förderung von Schülern bleibe auf der Strecke, und „für die Schüler und ihre Familien sei es kaum lösbar, wie sie Schule, Freizeitaktivitäten und Hausaufgaben auf einen Nenner bringen sollten“, so ist das eine Behauptung, die er angeblich aus Äußerungen von Elternseite entnehme.
Außerdem klagten seit Jahren „beispielsweise Vereine unter Hinweis auf G8 über Nachwuchsprobleme“. Das ist nun aber ein absolut lächerliches Argument. Steht es doch allen Vereinen frei, sich verstärkt an den Ganztagsangeboten der Schule zu beteiligen, um so ihre „angeblichen“ Probleme zu bewältigen. Im Übrigen kann ich aus eigener Erfahrung mit Enkelkindern in G8 und in G9 berichten, die gerade ihr Abitur äußerst erfolgreich absolviert haben, dass die jeweils vorgebrachten Argumente gegen G8 überwiegend aus der Luft gegriffen bzw. völlig überzogen sind.
Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass der große Unterrichtsausfall und die partielle willkürliche Verkürzung von Unterrichtsstunden durch einige Lehrkräfte an der Kurt-Schumacher-Schule ein viel gravierenderes Problem darstellen! So werden Eltern mit wenig schulpädagogischen Erfahrungen in nicht zu vertretender Weise verunsichert.
Als ehemals langjähriger stellvertretender Schulleiter der Kurt-Schumacher-Schule habe ich natürlich auch Erfahrungen machen müssen mit Eltern, die völlig überzogene Erwartungen in die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder haben und deshalb glauben, nur Kinder mit gymnasialer Ausbildung und Abitur hätten in der heutigen Zeit eine vernünftige Zukunft. Ihnen sei mit aller Entschiedenheit gesagt: „Ihr habt Unrecht!“
Werner Haas, Karben
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