Diesmal habe ich mit meiner Familie den Urlaub im Norden Frankreichs verbracht. Neben der Erholung in der freien Natur gehören für mich zu den Höhepunkten Besuche von kulturellen Stätten. Besonders eindrücklich bleibt mir der Besuch der Kathedrale von Chartres in der Erinnerung. Schon von weitem sieht man die Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert auf einem Hügel inmitten der westlich von Paris gelegenen Stadt Chartres.
Die Kathedrale ist auch deshalb so berühmt und hat ihre weltweite spirituelle Ausstrahlung, weil sie das einzig erhaltene mittelalterliche Fußboden-Labyrinth aus der baulichen Ursprungszeit enthält. Das runde Labyrinth füllt die ganze Breite im Eingangsbereich des Mittelschiffes. 13 Meter misst es im Durchmesser. Der Besucher ist eingeladen, den ersten Schritt in das mit Steinen eingelegte Labyrinth zu betreten und sich an die Wegführung zur Mitte hin zu halten. Das geht wirklich nicht auf die Schnelle. Immerhin sind mit den Kehren und Schleifen insgesamt 261 Meter zurückzulegen. So kommt dieser Weg einer geistlichen Bußübung gleich. Der geistliche Hintergedanke beim Gehen dieses Labyrinthweges ist von altersher auch, dass der Besucher den eigenen gegangenen Weg durchs Leben bedenkt. Wie viele verwirrende Wegabschnitte sind darunter, auf denen einem mehr nach Resignation als nach zielstrebigem Weitergehen zumute war. Der geistlich gesinnte Mensch wird immer wieder aufgefordert, die Bitte des Psalmbeters für sich persönlich zu wiederholen: „Herr, zeige mir deine Wege“ (Ps. 25,4). Und das ist auch manchmal wirklich notwendig, wenn ich durch leidvolle Erfahrungen Mühe habe, Gottes Versprechen seiner guten Lebensbegleitung zu glauben. Wie oft geschieht es, dass ich ein bestimmtes Ziel vor Augen habe, das ich gerne und schnell erreichen möchte. Und dann treten Störungen und Unterbrechungen ein, die es schwer machen, fröhlich weiterzugehen. Der vorgezeichnete Weg durch das Labyrinth in Chartres macht mir Mut, nicht stehen zu bleiben oder gar an den Ausgangspunkt zurück zu gehen. Ich soll weitergehen und mich durch die Windungen und Kehren nicht irritieren lassen. Die gehören einfach zu meinen und unseren Lebenswegen dazu. Ich habe das Versprechen vor Augen: Der Weg führt ganz gewiss zur Mitte. Tröstlich zudem ist: Ich brauche den Weg nicht alleine zu gehen. Menschen begleiten mich mit Rat und Tat. Und Gott, der die Mitte allen Lebens ist, begleitet mich durch Lebensvorbilder und Worte aus der Bibel.
Pfarrer Matthias Gärtner,
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil