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Fotograf der Baustellen

Manfred Seeger ist von Jugend an ein leidenschaftlicher Fotograf. In Bad Vilbel ist er in Stadt und Gemarkung meist auf Schusters Rappen unterwegs, um seinem Hobby, der Natur- und Landschaftsfotografie zu frönen. Da er seiner Heimatregion sehr verbunden ist, bildet diese einen Schwerpunkt seiner Passion.

Bad Vilbel. Jetzt stellte sich das Mitglied des Frankfurter Künstlerclubs einer neuen Herausforderung. Er dokumentierte auf 14.000 Dias, die aneinander gereiht eine Strecke von 560 Metern ergeben, den Bau der Neuen Mitte und der Stadtbibliothek. Seine selbst gestellte Aufgabe bestand in der sachlichen, fotografischen Erfassung sämtlicher Arbeitsentwicklungen und Abläufe fast ohne Personen. Das Ergebnis ist acht Gigabit groß.

„Am 13. Oktober 2011 begannen um exakt 10.31 Uhr die Abbrucharbeiten in der Frankfurter Straße. Für mich war es als gebürtiger Vilbeler nicht einfach, die mit vielen Erinnerungen verbunden Häuser auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu sehen. Ich atmete, während ich eifrig fotografierte, jede Menge Staub und modrige Gerüche ein.“ Mit dem Abbruch wurde der Weg für die „Neue Mitte“ frei.

Auf einer Baustelle zu fotografieren stellte für Manfred Seeger eine besondere Herausforderung dar. In hunderten von Stunden lernte er seinen „neuen Arbeitsbereich“ von Grund auf kennen. Den Bauarbeitern wurde er während einer Baustellenbesprechung am 3. August 2011 vorgestellt. Der „Fotograf der Baustellen“ erhielt einen Schutzhelm mit dem Hinweis, diesen immer wie auch seine selbst erworbenen Sicherheitsschuhen auf der Baustelle zu tragen. Beides war für ihn wie alle anderen, während seiner fast zweieinhalb Jahre dauernden Tätigkeit Pflicht.

„Paparazzi“ der Lüfte

„Auf beiden Baustellen wurde ich von allen Bauleitern, Polieren und Verantwortlichen bei meiner Arbeit beraten und unterstützt, ich wurde Teil der multikulturellen Gemeinschaft.“ Die Verständigung unter den Arbeitern aus vielen Nationalitäten klappte gut. Trotz der schweren Arbeit und teils widriger Witterungsverhältnisse waren alle immer hilfsbereit und freundlich, erinnert sich Manfred Seeger.

Manchmal sei es auch zu kurzen Gesprächen gekommen. Scherzhaft nannten ihn einige Arbeiter „Paparazzi“. Obwohl der Fotograf gestellte Personenaufnahmen ausschloss, machte er Ausnahmen von der Regel. Und zwar immer dann, wenn ihn ein Arbeiter bat ein Foto von ihm für seine Mama oder Familie in der Ferne zu machen. „Das habe ich dann gern als ein Geschenk von mir für ihn gemacht.“

Dokumentieren

Nach dem Abriss kündeten viele für den Laien nichtssagende Pläne vom Neubeginn. Der begann mit Tiefbauarbeiten. „Es wurde gemessen und gehämmert. Ab und zu stellte ich mir die Frage: „Was fotografierst Du da eigentlich?“. Meine Antwort lautete dann immer: „Ich will dokumentieren.“ Die ungewohnten Objekte vor der Linse seiner Nikon D700 Vollformat Spiegelreflexkamera waren eine kreative Herausforderung. Nach den Tiefbauarbeiten übernahmen die Eisenleger und Betonierer das Sagen auf den Baustellen. Im Fokus des Fotografen standen riesige Flächen aus Stahlmatten, die in ein Meer aus Beton versenkt wurden. Um interessante Fotos zu bekommen musste er oft über die mit Stahl bedecken Bauflächen balancieren. Jeder Schritt wurde aus Sicherheitsgründen genau kontrolliert. Den Einhub des Stahlfachwerks der Media Brücke bezeichnet Baustellenfotograf Seeger als eigentlichen Höhepunkt und sein Schlüsselerlebnis. „Das Zusammenspiel der Techniker mit allen anderen Mitarbeitern klappte reibungslos. Die gesamte Organisation sowie das Vorhalten aller notwendigen Werkzeuge waren beispielhaft. Es wurde mehr mit visuellerer als verbaler Verständigung gearbeitet. Manchmal hätte man eine Stecknadel fallen hören können“, beschreibt Seeger die Faszination des Arbeitsprozesses. Nach Fertigstellung des Rohbaus folgte der Innenausbau. Aus bisher dunklen Flächen strahlte Licht,was ein gutes Zeichen für die Fotografie war. Der Innenausbau gestaltete sich durch die vielen Handwerker sehr lebendig. „Oft konnte man fast nicht erkennen, wer was machte.“ Viele Materialhalden, die später einem bestimmten Handwerkszweig zugeordnet wurden, erschwerten dem Laien die Orientierung.

Scheinbares Chaos

Das scheinbare Chaos bot dem Fotografen aber auch interessante Möglichkeiten zur Bildgestaltung. Mit der Übernahme der Räume durch die gewerblichen Mieter konzentrierte sich der Fotograf überwiegend auf die Gestaltung der Büchereibrücke und des Niddaplatzes. „Zusammenfassend kann ich sagen, dass es trotz der vielen Aufwendungen, weiten Wege und Anstrengungen, eine spannende und für mich informative Aufgabenstellung war“, bilanziert Seeger.