In fünfeinhalb Monaten kommt der Tag der Wahrheit: Dann haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Wie viele aber werden darauf pochen? Im Rathaus versucht man, sich darauf vorzubereiten.
Karben. „Ich habe einen Rechtsanspruch und hätte gerne einen Betreuungsplatz!“ Drei-, viermal hätten sich schon Eltern so gemeldet, erzählt Tanja Fischer. Sie ist im Rathaus zuständig für Kindergärten, Kitas, Krippen. Melden Eltern ihre Kinder an, versuchen Fischer und ihre Kollegen, Betreuungswünsche so perfekt wie möglich zu erfüllen. Das dürfte ab 1. August schwieriger werden.
Ab dann haben Eltern den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ihren ein- oder zweijährigen Dreikäsehoch. Der Bund, der den Anspruch einführte, rechnet mit einem Drittel Nachfrage. Aber ob das reicht? „Das ist die große Unbekannte“, sagt Tanja Fischers Kollegin Elke Bauer.
Mit dem Bundes-Drittel kalkulierte Karben über Jahre auf gut 130 Betreuungsplätze für die Unter-Dreijährigen. So baute die Stadt massiv neu oder Kindergärten um. Längst aber ist klar, dass das nicht genügt. Erst im Oktober hob der Wetteraukreis den „Zielversorgungsgrad“ von 35 auf 39 Prozent an, was kreisweit 300 weitere Plätze ausmacht.
Für Karben aber genügt wohl selbst das nicht. „Wir haben das Luxusproblem, dass die Zahl der Geburten durch die Decke geht“, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Sie schnellte von unter 150 auf 200 hoch. Weil damit die Nachfrage nach Krippenplätzen stärker ausfallen dürfte, legt die Stadt stetig mit weiteren Plätzen nach, baut Kitas neu – wie in der Luisenthaler Straße – oder erweitert sie.
Binnen nur zweieinhalb Jahren und bis Anfang August soll die Zahl der Betreuungsplätze nun von 33 auf 158 emporschnellen. Erweiterungen sind aktuell in Petterweil, im „Zauberberg“ in Groß-Karben und im „Märchenexpress“ in der Luisenthaler Straße vorgesehen. Möglich seien auch welche im „Wirbelwind“ in Klein-Karben.
Einen Puffer hat die Stadt also – zumal zu dieser Rechnung noch 40 Betreuungsplätze bei Tagesmüttern hinzukommen. Mit 200 Plätzen insgesamt, also einem Versorgungsgrad von 50 Prozent, „sollten wir ganz gut aufgestellt sein“, schätzt Rahn. Doch wie viele Eltern tatsächlich auf ihr Recht pochen, traut sich im Rathaus niemand abzuschätzen. Elke Bauer ist zwar zuversichtlich: „Die Karbener Eltern sind da ja schon gut informiert“, erinnert sie, da sie bei jeder Geburt die Eltern besucht und ihnen die Betreuungsangebote offeriert. Auch bei den regelmäßigen „Baby-Begrüßungen“ im Bürgerzentrum werde das Thema stets angesprochen.
Zuzüge unkalkulierbar
Allerdings sei gut möglich, dass sich nun einige meldeten, die bisher schwiegen, weil sie ohnehin keine Chance auf einen Betreuungsplatz hatten, erinnert Tanja Fischer. Zum Beispiel gilt das für jene Eltern ohne Job, die bisher stets Berufstätigen den Vorrang überlassen müssen. „Ein unkalkulierbares Risiko sind auch die Zuzüge“, ergänzt Guido Rahn, dies könne die Stadt nicht voraussehen.
Allein viermal klingelten Neubürger vergangene Woche bei Tanja Fischer an. Es gebe tatsächlich Eltern, die sich erst meldeten, wenn sie schon in die Stadt gezogen seien, erläutert sie. „Und dann hätten sie gerne am liebsten zum nächsten Ersten einen Platz.“
Bitte schnell melden!
Ihnen rät die Fachfrau: „Je früher sich jemand meldet, desto besser können wir die Wünsche erfüllen“. Schließlich setze die Stadt alles daran, dass die Eltern ihren Winzling in der Wunsch-Krippe im Wunsch-Stadtteil zu den Wunsch-Zeiten betreut bekämen. Das ist aber nicht immer möglich – und umso ungewisser, je kürzer der Vorlauf ist, warnt Tanja Fischer.
Sie und Elke Bauer fragen sich zudem: Wie sieht das ab August aus? Inwiefern können Eltern dann auf ihre Wünsche pochen? Genügt ein Angebot irgendwo in der Stadt? Wie schnell muss die Stadt einen Platz bereitstellen? Und auf wie viele Betreuungsstunden bezieht sich der Rechtsanspruch?
Hinzu komme, dass die Folgen bisher völlig unklar seien, die das von CDU und FDP im Bund beschlossene Betreuungsgeld haben wird, erinnert Rahn – also wie viele Eltern lieber das Betreuungsgeld kassieren, als ihr Kind betreuen zu lassen. Deshalb können die Fachleute im Rathaus nur abwarten und darauf hoffen, dass sich die Eltern so früh wie möglich melden.
Denn eine ideale Lösung sieht selbst der Bürgermeister nicht. „Der Bundesgesetzgeber hat vieles nicht genau geregelt und etwas unbedarft geplant“, kritisiert Rahn. „Und wir werden nun damit allein gelassen.“ (den)