In diesen winterlichen Tagen habe ich einen Spaziergang an der Nidda entlang gemacht. Es war richtig schön kalt, doch die Sonne wärmte. Mit meinen Gedanken war ich noch ganz bei meinen Aufgaben, mit denen ich mich zuletzt am Computer beschäftigt hatte. Es brauchte Zeit, bis ich Augen für den blauen Himmel und die wenigen leuchtenden Farben bekam. Wie von selbst ging ich dann langsamer, konnte mich an der Natur freuen.
Im Evangelium (Lukas, 8. Kap.) sind es die Jünger, die mit Jesus durchs Heilige Land ziehen und von ihm hören, dass er, der Menschensohn, leiden und sterben muss und am dritten Tage auferstehen wird. Und dann lesen wir den erschütternden Satz: „Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen.“ Ja, aber, haben sie nicht genug von Jesus in den Jahren ihrer Nachfolge über seine Sendung mitbekommen? Und merkwürdig: Dem Unverständnis der Jünger schließt sich unmittelbar die Geschichte von einem Blinden an, der schreit: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Jesus sieht seinen Glauben und sagt, was der Blinde will: „Sei sehend!“ Und er kann sehen. Das macht mich nachdenklich. Und ich frage mich: wen sehe ich in diesem Mann aus Nazareth, wenn ich jetzt in der Passionszeit öfter als sonst an dessen Leidensweg erinnert werde? Ja, was geht mir innerlich für ein Licht auf, wenn die Osterbotschaft „Jesus ist von den Toten auferstanden!“ die Todesgeschichte von Karfreitag zu einer unglaublichen Wendegeschichte macht? Bin ich blind für die tiefere Wahrheit, die mich aus den Ängsten des Lebens befreien will? Es kann doch kein Zufall sein, und schon gar nicht reine Tradition, wenn die Botschaft von Jesu Tod und Auferstehung seit zwei Jahrtausenden Menschenherzen zu allen Zeiten tief berührt.
Ich wünsche Ihnen und uns allen eine wieder aufkeimende Neugier, mit einem wachen Geist und einer sehnsuchtsvollen Seele einen Spaziergang an den Geschichten des Evangeliums entlang zu machen und sehend zu werden für die Schönheit des Lebens.
Pfarrer Matthias Gärtner,
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil