Es sollten ein paar schöne Tage auf dem Kreuzfahrtschiff werden. Dann kam alles anders. Das Rentnerehepaar Dermann hat die Katastrophe auf der Costa Concordia vor der italienischen Küste nur knapp überlebt.
Karben. Manchmal, da kommen die Erinnerungen wieder hoch. „Abends vor dem Einschlafen, oder wenn man wach wird, denkt man daran, wie viel Glück man gehabt hat“, sagt Margaretha Dermann. Sie sind noch einmal mit dem Leben davongekommen. Vor einem Jahr, es war Freitag, der 13. Januar, haben sie sich vom Kreuzfahrtschiff Costa Concordia retten können, das kurz zuvor auf einen Felsen aufgelaufen war und kenterte. Es war das schreckliche Ende einer Reise, die schön begonnen hatte.
Die Karbener hatten schon einiges von der Welt gesehen – Singapur, Australien . . . Dann wollte sich Johann Dermann (78) mit der Kreuzfahrt einen lange gehegten Wunsch erfüllen. „Wir hätten die Fahrt nicht gemacht, wenn es damals nicht so ein günstiges Angebot gegeben hätte“, so Margaretha Dermann (75).
Unglücksfreitag
Am Ende stehen sie mit nichts da: Außer ihren Kleidern, die sie am Leib trugen, haben sie nur ihre Reiseunterlagen und den Schmuck retten können. „Das war purer Zufall“, sagt Margaretha Dermann. Denn an jenem Unglücksfreitag will das Ehepaar vor dem Abendessen Wertsachen im Tresor verstauen. Aber die Verriegelung klemmte, die Tür des Tresors ließ sich einfach nicht schließen. Also packt Margaretha Dermann die Reiseunterlagen kurzerhand in die Handtasche. Sie gehen zum Essen. Gegen 21.30 Uhr suchen sie wieder ihr Zimmer im zweiten Stock auf. Auf einmal geht das Licht aus. Und wieder an. Plötzlich ein Schlag. Der 290-Meter-Koloss bekommt Schlagseite, legt sich in Fahrtrichtung nach links, erzählt der 78-Jährige. Gegenstände fallen um und fliegen durchs Zimmer. Dann folgt eine Durchsage. Es handele sich nur um einen technischen Defekt an einem Aggregat, beschwichtigt die Stimme. Bald sei alles behoben. „Diese Durchsage kommt in einer halben Stunde viermal“, erinnert sich seine Frau. Jedoch erst in drei anderen Sprachen, bevor die Deutschen sie verstehen.
„Da bin ich heute noch richtig sauer“, ist Johann Dermann empört. Die einzelnen Hintergründe zur Ursache des Schiffsunglücks haben die beiden erst im Nachhinein erfahren. „Dieser Kapitän, den hat man auch nur einmal beim Vorstellen der Crew und der Rettungsübung gesehen“, ärgert sich der 78-Jährige noch immer.
Bedauern von Costa
Vor einigen Tagen erreichte sie ein Schreiben des Kreuzfahrtunternehmens Costa Crociere: Man bedauere das Unglück vor einem Jahr. Eine Gedenkveranstaltung soll daher am 13. Januar auf der Insel Giglio stattfinden. „Immerhin“, sagt Margaretha Dermann. Aber am Jahrestag wollten sich die beiden Wetterauer mit anderen hessischen Reiseteilnehmern treffen.
„Wir müssen an diesem Tag vor einem Jahr nicht nur einen, sondern mindestens zehn Schutzengel gehabt haben“, glaubt die 75-Jährige. „Das Besondere an dem Unglücksabend war, dass meine Frau die Ruhe selbst war“, erzählt ihr Mann. Als die Dermanns damals merken, dass sich das Schiff nicht nur deutlich neigt, sondern sich auch im Kreis dreht, ziehen sie sich an, legen die Rettungsweste an und nehmen die Handtasche mit den Unterlagen. „Wir waren direkt an der Treppe und sind zu den Rettungsbooten gelaufen“, erinnert sich der 78-Jährige. Dort ist keiner von der Besatzung zu sehen, nur die Reinigungskräfte sind bei den Booten. Erst nach einigem Hin und Her werden die Zugänge frei gemacht. Auch die beiden Karbener schaffen es auf ein Rettungsboot.
Das Boot donnert mehrfach gegen die Schiffswand, Seile müssen mit Beilen durchtrennt werden. „Da ist auch mir fast das Herz stehengeblieben“, erinnert sich Margaretha Dermann. Gegen 23.30 Uhr landen sie auf der Insel Giglio.
Immerhin haben die beiden vom Betreiber Costa Crociere eine finanzielle Entschädigung erhalten, die weit über den Reisepreis und das verlorene Hab und Gut hinaus geht. „Die Abwicklung ging zum Glück reibungslos, der Reiseveranstalter hat sich gekümmert“, sagt Johann Dermann. In den Urlaub geht es für die Dermanns nur noch per Bus oder Flugzeug. „Aufs Wasser bekommt man mich in nächster Zeit erst einmal nicht“, erzählt die 75-Jährige.