Nach der Randale im Wetterauer Nachtbus n33 herrscht Fassungslosigkeit. Die Fahrgäste sind schockiert über den Gewaltexzess mehrerer junger Männer. Das Karbener Busunternehmen ist stocksauer, weil die Polizei eine Stunde auf sich warten ließ. Videokameras im Bus haben die Täter aufgezeichnet, die Kripo ermittelt.
Bad Vilbel/Karben. „Was da noch alles hätte passieren können; die hatten ja ein Messer dabei!“ Ingeborg Strehl, Chefin des Omnibusunternehmens Eberwein aus Burg-Gräfenrode, ringt nach Fassung. Mit ihrem Sohn Martin sichtet sie gerade die Aufnahmen, die die vier Videokameras im Wetterauer Nachtbus am frühen Sonntagmorgen machten.
Überraschend scharf ist zu erkennen, wie die vier bis sechs jungen Männer Randale veranstalten, einen Sitz mit einem Messer aufschlitzen, Nothämmer aus ihren Verankerungen reißen, sich aus der Kasse bedienen und mindestens einen Fahrgast schlagen.
Warten auf die Polizei
Noch am Nachmittag bringt Martin Strehl das Videomaterial auf DVD gebrannt zur Kripo nach Friedberg. Damit die Ermittler den Tätern ihre Taten zuordnen können. „Die sollten im Steinbruch in Köppern mit den Nothämmern Steine klopfen müssen“, findet Ingeborg Strehl. Was sich im Nachtbus ereignete, war für die unbeteiligten Fahrgäste sehr unangenehm. Mehr als 15 Menschen seien kurz nach 3.30 Uhr an der Friedberger Warte zugestiegen und in Bad Vilbel selbst auch nur wenige ausgestiegen, berichtet Oliver Lietz. Der Klein-Karbener, politisch in der Karbener SPD aktiv als „Stadtteilbeauftragter“, nutzte den Bus seit dessen Betriebsstart vor genau einem Monat schon mehrfach. „Es ist angenehm, wenn man nicht bis kurz vor sechs auf die erste S-Bahn warten muss.“
Am Nordende Bad Vilbels sei die Situation im Bus eskaliert. Da zettelte eine Gruppe von vier bis sechs Männern aus Karben im Alter von 17 bis 21 Jahren, so schätzt Lietz, die Randale an. Mit einem geraden Schnitt, erklärt Martin Strehl, habe einer einen Sitz aufgeschnitten. „Dann warfen sie mit dem Kunststoff umher“, sagt Lietz. In Dortelweil stoppt der Fahrer (42) das große Gefährt, stellt die jungen Leute zur Rede und fordert sie auf zu gehen. Das aber machen sie nicht. „Sie sagten, sie hätten ja bis Karben bezahlt“, erklärt die Firmenchefin.
Der Chauffeur ruft daraufhin die Bad Vilbeler Polizei an, wo er erfährt, dass gerade keine Einsatzkräfte verfügbar seien. Also klingelt er bei seiner Chefin durch. Die versucht es erneut. „Bei der Polizei in Vilbel klingelte das Telefon einfach durch“, sagt Ingeborg Strehl. Also wählt sie den Notruf, erreicht die Polizei Friedberg. Dort schickt man eine Streife los. Eine geschlagene Stunde habe es gedauert, bis die Polizei da gewesen sei, die Situation unter Kontrolle gebracht habe, schäumt Martin Strehl vor Ärger. Das könne nicht sein: „Wenn das nicht geklärt ist, fährt nächstes Wochenende kein Nachtbus“, droht er an. „Wir wollen uns mit diesem Geschäft doch keine blutige Nase holen.“
Fahrgäste greifen ein
Unerklärlich bisher: Kurz nach dem ersten Hilferuf des Fahrers habe ein Polizeiwagen neben dem Bus gestoppt und eine Polizistin habe die Täter durchs Fahrerfenster aufgefordert, sich zu beruhigen. „Aber dann sind die Polizisten weitergefahren“, sagt Ingeborg Strehl.
Während der langen Wartezeit droht die Situation mehrfach zu eskalieren. So sei der Busfahrer zwischenzeitlich einem der Männer hinterhergelaufen, als dieser floh, berichtet Fahrgast Lietz. Als daraufhin ein anderer sich an der Kasse zu schaffen machte und Bargeld herausdrückte, griff eine engagierte junge Frau ein, erklärt Martin Strehl. Es kommt zu einem Wortgefecht, ihr Freund steht der jungen Frau bei. Daraufhin schlägt einer der Täter dem Freund zweimal ins Gesicht. Draußen, neben dem Bus, bekommt auch der Busfahrer mindestens einen Schlag ab, habe er berichtet, sagt Martin Strehl.
Wo aber war die Polizei? „Wir hatten fast zeitgleich eine Umstellung eines Tatorts bei einem Einbruch“, erklärt Polizeisprecher Jörg Reinemer. „Dort waren alle Streifen gebunden und weitere aus Friedberg halfen noch.“ Die lange Wartezeit sei „den Umständen geschuldet leider passiert“. Den Nachtbus habe die Polizei sehr wohl im Blick. Sie reagiere auf Notrufe falls nötig auch in Kooperation mit umliegenden Dienststellen in Friedberg, Bergen, Bornheim.
Wer mit welchen Taten an der Randale beteiligt war, muss nun die Kripo klären. Der geflohene Täter, ein Karbener (18), stellte sich noch während der Tataufnahme der Polizei. Er sei vorübergehend festgenommen worden, sagt Reinemer, und habe 1,48 Promille Alkohol im Blut gehabt. Dass die Nachtbusfahrten durchaus „mit Halligalli“ abliefen, darauf seien die Fahrer vorbereitet, sagt Martin Strehl. „Bisher aber lief es reibungslos und ruhig.“
Fahrgast Oliver Lietz bestätigt das. „Die Stimmung ist ganz locker“, sagt der Klein-Karbener. „Da fühlt man sich überhaupt nicht unsicher.“ Deshalb wolle er die Verbindung weiterhin nutzen. Die Videoüberwachung biete zwar „nicht richtig Sicherheit“, aber helfe eben bei der Aufklärung. (den)