Großer Aufruhr gab es vorige Woche auf dem Bahnhof Schöneck-Kilianstädten. Zahlreiche Politiker und Bürger waren zum Ortstermin gekommen, um sich anzuhören, wie die Deutsche Bahn (DB) und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) die derzeitigen Probleme mit dem Lieschen lösen wollen. Doch die Verantwortlichen wollten nichts Konkretes zusichern.
Bad Vilbel/Schöneck. Als pünktlich um 10.16 Uhr die Niddertalbahn aus Frankfurt auf dem Kilianstädter Bahnhof einfährt, hat für Dieter Schulz die Stunde geschlagen, seinem Ärger öffentlichkeitswirksam Luft zu machen. Mit einem Satz springt der Schönecker SPD-Gemeindevertreter in die Lücke zwischen Zug und Bahnsteig, steht jetzt auf den Gleisen und gestikuliert mit den Armen: „Schauen Sie sich das an, das kann doch nicht sein!“
Dass der Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig so groß ist, dass ein erwachsener Mann dazwischen passt, verärgert zahlreiche Fahrgäste aus der Wetterau und dem Main-Kinzig-Kreis seit Wochen. Dass sie gewissermaßen in den Zug springen müssen und gehbehinderte Menschen oder Eltern mit Kinderwagen fast gar nicht hineinkommen. Und dass die Züge im Berufsverkehr viel zu voll sind, Pendler teils gar nicht mehr einsteigen können.
Am Tag danach hatten Bahn und RMV Vertreter der betroffenen Kommunen, vereint in der Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr Niddertal (AGNV), auf den Bahnhof in Kilianstädten geladen. Dort wollen die Verantwortlichen, die mit dem Lieschen anreisen, erst einmal zeigen, dass sie bereits aktiv geworden sind: Zwei Zugbegleiter bauen flugs eine Rampe auf, die behinderte Fahrgäste sicher in die Bahn hinein- und wieder herausführen soll. Solche Rampen sollen ab jetzt auf jeder Niddertalbahn im Einsatz sein. Ralf Milde, Schönecker Gemeindemitarbeiter und derzeit wegen einer Operation auf Krücken, probiert den Zugang gleich aus. Sein Fazit: „Das ist schon sehr, sehr schwierig.“ Der gleichen Meinung ist die Nidderauer Seniorin Erika Mohr. Das Gefälle der Rampe macht ihr vor allem beim Aussteigen zu schaffen: „Sicher ist das nicht.“ Deutliche Worte gegenüber RMV und DB findet Nidderaus Erste Stadträtin Monika Sperzel (SPD): „Wir wollen für eine Leistung, die nicht erbracht ist, auch nicht volle Beiträge zahlen“, sagt AGNV-Vorsitzende ist. 60 Millionen Euro seien entlang der Strecke investiert worden, merkt der André Kavai, Vize-Landrat des Main-Kinzig-Kreises an. Geld, das die Kreise und Kommunen mit übernehmen. Der Main-Kinzig-Kreis hat bereits angekündigt, seine Zahlungen an den RMV, 935 000 Euro jährlich, 2013 um 20 Prozent zu kürzen. Niederdorfeldens Bürgermeister Klaus Büttner erwägt für seine Kommune dasselbe – die Gemeinde muss im nächsten Jahr 45 000 Euro fürs Lieschen geben. Auch Altenstadts Rathauschef Norbert Syguda (SPD) denkt darüber nach.
Christian Roth, Sprecher für den DB-Regionalverkehr in Hessen, verteidigt sein Unternehmen: „Es gab eine Ausschreibung des RMV, und wir haben darauf geboten.“ Zudem seien bereits zusätzliche Wagen auf der Strecke eingesetzt, in den Stoßzeiten führen nach wie vor zwei Doppelstockzüge. RMV-Sprecher Kai Daubertshäuser verweist darauf, dass jeder zusätzliche Wagen Geld koste. Es sei schwierig, die Züge nur im Berufsverkehr mit zusätzlichen Wagen auszustatten: „Es muss ein wirtschaftlicher Betrieb gewährleistet sein, die Fahrzeuge müssen eine hohe Auslastung haben.“ Der RMV zählt derzeit die Fahrgäste auf der Niddertalbahn. „Wenn wir feststellen, das Angebot reicht nicht, werden wir darauf reagieren“, so der RMV-Sprecher. Der Wechsel außerhalb der Stoßzeiten von den Doppelstockwagen mit ihren Dieselloks auf die Desiro-Triebwagen sei nicht nur dem finanziellen Aspekt geschuldet, sondern auch dem Bedürfnis der Lieschen-Anwohner nach ruhigeren und umweltfreundlicheren Zügen.
Nidderaus Erste Stadträtin Monika Sperzel findet trotzdem: Die Ausschreibung des RMV muss unter die Lupe genommen, das gesamte Verfahren „noch einmal auf den Prüfstand“. Sie will dazu im Januar eine Niddertalbahn-Konferenz mit allen Beteiligten einberufen. (zlp)