Vor 25 Jahren war er das Nonplusultra. Heute ist klar, dass der Kanal, den die Wetterauer trotzig Nidda nennen, weder der Natur dient, noch für Menschen schön ist und Hochwasser gefährlicher macht. Karben steuert mit Millionenaufwand gegen.
Karben. Gottfried Lehr steht auf der Brücke mitten in Karben, blickt die Nidda hinauf. Bald schon soll die Natur hier nicht nur Zwischenspiele liefern, sondern die Regie übernehmen. „In einem Jahr rollen die Bagger“, sagt der Gewässerökologe optimistisch.
Auf 1,5 Kilometern zwischen dem ASB-Altenzentrum Groß-Karben und den KSV-Sportplätzen in Klein-Karben soll die Natur in die Stadt zurückkehren. „Der Kanalcharakter wird ganz weg sein“, kündigt Lehr an. Seit den 1960er-Jahren eilt die Nidda eingezwängt zwischen hohen Dämmen kaum sichtbar und ohne Platz für Tiere durch die Stadt. „Eine Zumutung“, findet Lehr. Bäume und Sträucher auf den Dammkronen sähen aus „wie Begleitgrün an der Autobahn“.
Schutz bei Hochwasser
Für die Stadt hat der „Nidda-Papst“ aus Bad Vilbel gerade die finale Planung für die Nidda-Renaturierung im Innenstadtbereich fertiggestellt. Statt schnurstracks und schnell soll sich die Nidda künftig lässig durch die Stadt schlängeln. Dafür werden Ufer abgeflacht, der Fluss aufgeweitet, Buhnen ragen in den Strom, lenken ihn um, Inseln teilen ihn. „Die Nidda wird doppelt so breit sein“ und damit viel flacher, erklärt Lehr. „Dann kann man die Fische im klaren Wasser schwimmen sehen.“ Viele Tierarten soll das zurücklocken. Vorteil sei, dass die Bebauung genug Platz lasse für eine neue Aue.
„Der Charakter des Flusses wird total geändert“, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Das Verbessern der Gewässerökologie ist zwar Hauptzweck. „Aber wir können nicht mitten in der Stadt ein Naturschutzgebiet anlegen“, weiß Gottfried Lehr. Deshalb sollen die Menschen an flachen Ufern bis an den Fluss gehen, sich die Füße darin vertreten, Hunde spielen lassen können.
„Damit nehmen wir den Druck von den hochsensiblen Bereichen“, hofft der Experte. Besonders am Nidda-Knie in Gronau störten weiterhin Frauchen und Herrchen Vögel und Fische, indem sie ihre Hunde selbst mitten in Brut- und Laichzeit in Naturschutzbereichen frei laufen ließen. „Es ist ja normal, dass Menschen den toll renaturierten Fluss nutzen wollen“, räumt Lehr ein. „Es kann kein Weg sein, die neue Nidda einzuzäunen.“
Wenn aber die Schutzdeiche geschliffen werden, erhöht das nicht die Hochwassergefahr? „Im Gegenteil“, sagt Lehr. Denn die Dämme würden nur vom Fluss weg verlegt. So bekomme die Nidda mehr Raum, könne bei Hochwasser mehr Fluten aufnehmen. „Es wird eine erhebliche Verbesserung des Hochwasserschutzes“, sagt Guido Rahn.
Eine Million Euro will sich die Stadt die Renaturierung kosten lassen – doch Rahn will keinen Cent ausgeben. 700 000 Euro erwartet er an Landeszuschuss, dazu bringt die Stadt Grundstücke ein und verkauft Ökopunkte, die sie erhält, weil sie die Natur verbessert. „Das ist eine große Chance für die Stadt, mit wenig Eigenmitteln etwas für die Bürger zu erreichen.“
Bäume müssen fallen
Entlang des Flusses ist das Karbener Vorhaben „ein großer Mosaikstein“, sagt Lehr. Auch in Okarben soll der Fluss noch renaturiert werden. Auf eines stimmt Experte Lehr die Karbener aber schon ein: Während der Arbeiten werde die Nidda für drei, vier Monate zur Baustelle. Und viele Bäume am Ufer müssten fallen. Die Natur aber, die der Fluss anschließend selbst anlege, werde binnen fünf Jahr umso schöner. (den)