Kein Supermarkt, kaum Infrastruktur: Oberdorfelden ist bereits der isolierteste der drei Schönecker Ortsteile. Jetzt auch noch das: Die letzte Ärztin schließt Ende des Jahres ihre Türen. Ein Nachfolger ist trotz intensiver Suche nicht in Sicht.
Schöneck. Enttäuscht, ratlos, frustriert – so ein bisschen ist Claudia Reusswig alles davon. „Ich finde, hier zeigt sich irgendwie der Niedergang kleiner Orte“, sagt die Oberdorfeldenerin. Was ihr Anlass zu derartiger Sorge gibt, ist die Schließung der letzten Arztpraxis im Ort. Allgemeinmedizinerin Sybille Mohadjer macht zu, aus Altersgründen. „Die alten Leute kriegen jetzt schon ihre Unterlagen in die Hand gedrückt, damit sie sich einen anderen Arzt suchen können“, berichtet Reusswig, deren 71-jährige Mutter auch zu diesen Patienten gehört.
Ein anderer Arzt. Genau das ist das Problem. In Bad Vilbel, in Büdesheim und Kilianstädten oder in Niederdorfelden, da gibt es noch genügend Allgemeinärzte. Nur wie hinkommen? „Meine Mutter hat eine schiefe Hüfte und Probleme mit dem Knie“, sagt Claudia Reusswig. Da ist jede Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Herausforderung. Ähnlich gehe es auch zwei Freundinnen ihrer Mutter, beide alleinstehend und krank. „Sie wissen nicht, wie sie zum nächsten Arzt kommen sollen.“
Es fehlt an vielem
Das Problem Ärztemangel ist mittlerweile auch ins Rathaus vorgedrungen. „Es wäre schade, wenn die Zulassung für die Praxis weg ist“, sagt Bürgermeisterin Conny Rück (SPD). Zumal es in Oberdorfelden viele Familien mit Kindern gebe. „Und es fehlt im Ort sowieso schon an so vielem.“ Sie habe bereits Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aufgenommen und wolle auch noch einmal mit der Ärztin reden, kündigt Rück an.
Was jene gegenüber der Rathauschefin sagt, bleibt abzuwarten. Gegenüber der Presse möchte sich Sybille Mohadjer nicht zur Schließung ihrer Praxis äußern. Sie lässt lediglich über ihre Sprechstundenhilfe ausrichten, dass sie bereits seit drei Jahren einen Nachfolger suche, zahlreiche Anzeigen geschaltet habe – alles vergeblich.
Das bestätigt auch die KV Hessen, die als Vertretung der niedergelassenen Ärzte dafür zuständig ist, die Versorgung mit Medizinern flächendeckend sicherzustellen. „Der Praxissitz ist ausgeschrieben, aber es gibt keinen Bewerber“, sagt KV-Sprecherin Petra Bendrich. Sechs Monate nach Schließung habe die Ärztin Zeit, ihre Praxis zu veräußern, dann falle die Zulassung für den Standort weg. Die KV biete Ärzten, die ihre Praxis aufgeben, Hilfe bei der Suche nach einem Nachfolger an. „Es gibt Foren, auf denen wir die Mediziner mit Interessenten zusammenbringen“, sagt Bendrich. Ein solches finde wieder Mitte November in Kassel statt. Auch Gemeinden könnten sich hier als attraktiver Wohnort für die künftigen Ärzte präsentieren, etwa mit guter Kinderbetreuung, Infrastruktur oder günstigem Bauland werben. Hintergrund für das massive Werben ist der landesweite Landarzt-Mangel: Junge Mediziner lassen sich am liebsten in Städten oder Ballungszentren nieder – dort, wo sie für sich und ihre Familien die beste Infrastruktur vorfinden. Und lukrativere Verdienstmöglichkeiten als auf dem Land.
KV-Sprecherin Petra Bendrich weist darauf hin, dass Schöneck an und für sich gut mit Ärzten versorgt sei: Im Radius von acht Kilometern gebe es 48 Hausärzte, im Radius von drei Kilometern immer noch drei. In der Gemeinde hätten neben Sybille Mohadjer weitere sieben praktische Ärzte ihren Sitz.
Kreis ist überversorgt
Die KV ist entsprechend nicht in der Pflicht, für die Praxis in Oberdorfelden einen Nachfolger zu finden. Erst recht nicht mit Blick auf die Arztversorgung im gesamten Main-Kinzig-Kreis, der für die KV maßgeblichen Einheit. Im Kreis herrscht nämlich sogar eine Überversorgung mit Medizinern. (zlp)