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Die Seele der Orgel – Eva-Maria Broske in der evangelischen Kirche Massenheim geehrt

Ein ungewöhnliches Konzert hat sich am Sonntagnachmittag in der evangelischen Kirche Massenheim regelrecht „ereignet“. Karl-Heinz Broske (77 Jahre) hatte all seine Verbindungen und Fähigkeitengebündelt, um seine Ehefrau Eva-Maria (73), seit 30 Jahren Kantorin in dem Gotteshaus, zu ehren. Mehr als 70 Zuhörer kamen und spendeten Applaus.

Bad Vilbel. „Auf Gott allein will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen“ – diesen berühmten Mendelssohn-Satz sang der von der Jubilarin seit Jahrzehnten betreute, und mit einigen kräftigen Stimmen verstärkte Singkreis. Die Auswahl dieses Stückes traf genau das Wesen der Pfarrerstochter aus Nieder-Schlesien, ebenso wie eine Zeile der Solodarbietung der Sopranistin Sibylle Plocher: „Alles jauchzet, alles lacht“ aus Händels Ariensammlung, hier mit dem Titel „Meine Seele schläft im Stehen“.

Schlaglicht dieses eineinhalbstündigen Konzerts war das Mitwirken von Herfried Mencke, ein von New York bis Moskau beachteter Organist und Komponist. Der gewichtige Mann, Jahrgang 1944, gewohnt auf berühmten Silbermann-Orgeln zu spielen, zwängte sich in der Massenheimer Kirche die schmale und niedrige Treppe hinauf, um auf Eva-Marias Orgel eine Toccata F-Dur aus einer seiner Orgelsinfonien zu spielen. Eva-Maria Broske hat ihm als einem der wenigen ausdrücklich erlaubt, „auf meiner Orgel zu spielen“, eine „alte Dame, die pflegliche Behandlung verdient hat“, wie sie betonte. Mencke hatte sich auch bereit gefunden, auf dem von den Broskes heiß geliebten Mini-Spinett die musikalischen Beiträge zu begleiten, die mit hoher Kunst von Mitgliedern des Symphonieorchesters der Universität Gießen dargeboten wurden.

Die Stadt Gießen war und ist bedeutsam für die Broskes. Hierher waren sie 1982 als Dissidenten der DDR entkommen, hier lernten sie bei einem Gottesdienstbesuch der Petruskirche, den, für sie unfassbar, in einem weißen Anzug spielenden Kirchenmusiker kennen. Eine Freundschaft entwickelte sich und hielt bis heute. Im Symphonieorchester der Uni Gießen ist Karl-Heinz Broske in seinem Metier als Oboer der Nestor und ein bisschen auch schon Maskottchen unter 90 Studenten.

Einen besonderen Eindruck hinterließ bei dem Konzert die Massenheimerin und Schülerin von Eva-Maria Broske, Katharina Hofmann, mit dem hinreißenden Spiel eines fröhlichen Trios für Oboe (Broske) und Continuo (Mencke).

Karl-Heinz Broske hat schon Monate vor dem Konzert den Singkreis seiner Ehefrau mit zusätzlichen Chorproben in Anspruch genommen und dabei vor allem den A-cappella-Satz von Mendelssohn gebimst. Es galt Noten zu besorgen, Sponsoren für den nicht geringen finanziellen Aufwand zu werben, das Konzert bekannt zu machen und und und.

Versuch – Versuchung

Kirchenvorstand und Chor bedankten sich bei ihrer Kantorin mit Geschenken und Pfarrer Werner Krieg erinnerte an jene heiße Sommernacht vor dreißig Jahren, als er der Kirchenmusikerin den Job in Massenheim „verkaufen“ wollte. „Versuchen wir es mal“, habe sie gesagt. Daraus sind 30 Jahre geworden. Und sie wolle noch weiter machen, „solange ich noch die Treppe zur Orgel hinaufklettern kann“.