Die Zahlen 5, 50 und 500 liest und hört man in diesen Tagen immer wieder: Vor 50 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzil in Rom eröffnet und in fünf Jahren feiern die Protestanten weltweit den datumsträchtigen Beginn der Reformation vor 500 Jahren mit dem Thesenanschlag Martin Luthers an der Wittenberger Kirche.
Bei diesem geschichtsträchtigen Erinnern geht es den katholischen und protestantischen Christen gleichwohl nicht um ein reines Erinnern, sondern vielmehr um die Erneuerung und Stärkung des Glaubens heute und morgen. Und schon gar nicht kann es um die Zementierung von konfessionell-kirchlichen Abgrenzungen gehen. Die Menschen heute wollen sich nicht erinnernd in der Vergangenheit aufhalten, sondern suchen nach Sinn und Orientierung in der Gegenwart, um ermutigt in ihre Zukunft zu gehen.
Alle drei Zeitbezüge gehören allerdings zusammen und zu uns. Das Erinnern der Protestanten an den 31. Oktober 1517 kann deshalb nur ein Aufruf sein, den Reformator Luther im Kern seines Anliegens ernst zu nehmen: den Glauben an Gott als Ursprung, Mitte und Ziel allen Lebens zu erfahren. Hier geht es nicht um Institutionen, um Gesetze und Verhaltensvorschriften, sondern einzig um die tiefste Sehnsucht aller Menschen: Liebe zu erfahren und Liebe weiterzugeben. Gott ist dabei kein frommes Anhängsel, vielmehr der Erfüllungsgarant. Wie das? In Psalm 37 Vers 4 lesen wir: „Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht.“ Luther schreibt dazu: „In diesen Worten ist lauter Zucker und Honig. Es ist Gottes Wille, dass seine Kinder in solcher Lust leben. Er wird dir geben, was dein Herz wünscht. Das ist gewiss die stärkste Verheißung. Gott lässt es ausschreien, dass er dirs geben will. Er will geben, was das Herz wünschen kann. Als wollt er sagen, er gibt mehr als du verlangst; er wills nach deines Herzens Wunsch machen. Denn Gottes Gabe ist reichlicher als wir hoffen. Wir hättens nicht gewagt, ihn um soviel zu bitten.“
Ich wünsche uns allen Neugier und Lust, Gott als Liebe zu erkennen und zu erfahren. Seien wir gespannt, was daraus folgt. Langeweile und Missmut garantiert nicht. Aufbruch schon eher. Der drängt wie Wasser in alle Ritzen unseres Lebens, betrifft den Einzelnen und die Gesellschaft, mehr noch: alle Kreatur. Amen. So soll und wird es sein. Gottes Geist will es so.
Pfarrer Matthias Gärtner
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil