Wie geht es weiter mit den Kontakten, die zwischen Bad Vilbel und China geknüpft wurden? Die Sozialdemokraten hatten Fachleute zu Wirtschaft und Kultur des fernöstlichen Landes eingeladen.
Bad Vilbel. Am Ende waren bei dieser China-Diskussion der SPD alle genervt: Das zahlreiche Publikum, das im großen Kurhaus-Café zunächst nicht genügend Sitzplätze vorfand, und die Veranstalter. Diskussionsleiter, Fraktionsvorsitzender Walter Lochmann, hatte darauf bestanden, dass die Veranstaltung am Donnerstag mit dem Doppelthema „Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte in China“ auf den Punkt genau nach zwei Stunden um 21 Uhr beendet werde.
Das Diskussionsbedürfnis der Zuhörer war enorm – zum Schluss waren mehr als ein Dutzend Wortmeldungen aufgelaufen, aber Lochmann fiel den teils weit ausholenden Diskussionsteilnehmern ins Wort, kürzte ihre Beiträge. Trotzdem: Antworten bekamen die Diskutanten kaum.
Zufrieden war also wohl niemand in dieser eigentlich hochinteressanten Veranstaltung vor dem Hintergrund einer Privatinvestition des chinesischen Multi-Unternehmers Lu, der 75 Firmen besitzen soll. Er wolle, wie laut Lochmann in Bad Vilbel „geminkelt“ werde, 700 Millionen Euro in ein Messezentrum auf 90 Hektar des Quellenparks investieren. Eine gewaltige Summe im Vergleich zu den 380 Millionen Euro, die China 2010 in ganz Deutschland investiert hat. Aber Oliver Emons von der Hans-Böckler-Stiftung erklärte, China gehe nach einer staatlich gelenkten Phase des Kaufs lukrativer Firmen bevorzugt in Deutschland jetzt zunehmend zu Direktinvestitionen über. Deutschland empfehle sich wegen seines hohen technologischen Standards, seiner Rechtssicherheit und der Qualität der Arbeitskräfte. Gehemmt sei die Investitionslust durch das den Chinesen fremde immense Genehmigungsverfahren und die Fremdartigkeit der deutschen Kultur. Dazu gehöre etwa das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer. „Das ist den Chinesen nicht bekannt“.
Lernen, zu verhandeln
Horst Fabian, 20 Jahre lang Mitarbeiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (heute GIZ) im südostasiatischen Raum mit 43 Mitarbeitern, berief sich auf seine intimen Erfahrungen mit der chinesischen Kultur und den Wirtschaftsverhältnissen. „Ich habe Tiefenerfahrung und Einblicke in Firmen.“
„Man muss zuerst lernen, verhandeln zu können“, schrieb er den Vilbelern ins Stammbuch. In einem demokratischen Verfahren müsste klar festgelegt werden, was man wolle. Es sei ganz wichtig, herauszubekommen, an wen man sich binde, noch dazu mit einer für Vilbeler Dimensionen gewaltigen Investition. Fabian weiter: „Man sollte wählerisch sein und auch einen alternativen Investor ins Auge fassen, nicht zuletzt, um diese gegeneinander ausspielen zu können“. Wichtig sei eine unabhängige Beratung. Der Umgang mit China habe sehr viel mit Vertrauen zu tun. Schriftliche Verträge behandelten die Chinesen „pragmatisch“ – fühlten sich nicht dauerhaft an den Buchstaben gebunden. Vilbel brauche einen langen Atem.
Beim 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas am 8. November werde die Führungsspitze ausgetauscht. Das könne eine weitere Liberalisierung bedeuten, oder aber auch nicht. Auf jeden Fall stehe der Staat und sein jeweiliger Fünfjahresplan hinter jeder großen Auslandsinvestition.
Zum zweiten großen Thema dieser Veranstaltung, den Menschenrechten, äußerte sich eine in Bad Vilbel lebende Chinesin, die sich als Mitarbeiterin eines international verbreiteten Mediums „epochtimes“ vorstellte und Listen besitzen will, die Menschenrechtsverletzungen in der Großgemeinde Linyi dokumentieren. Mit dieser Millionenstadt strebt Bad Vilbel eine auf fünf Jahre befristete Kooperation an. SPD-Vorsitzender und Stadtrat Udo Landgrebe, von dem ein interessanter Bericht über seine viertägige Chinareise nach Peking und Linyi erwartet worden war, konnte kaum Konkretes mitteilen. Jedenfalls wusste er auf Nachfrage aus dem Publikum nicht, welcher Art jene Messe sein sollte, die der Herr Lu da errichten wolle. Bei den Treffen habe man „standfest“ sein müssen, unterstrich Landgrebe. Man habe gegessen, getrunken und über Gott und die Welt, nebenbei auch manchmal über Bad Vilbel, geredet.
Viele Fragen blieben in der Runde weitgehend unbeantwortet. Das Schlusswort, das Horst Fabian sprach, war vielleicht die Summe alles Gesagten: „China ist komplexer als hier dargestellt“.