Waren die 53 kürzlich zwischen Klein-Karben und Dortelweil gefällten Pappeln tatsächlich morsch? Ja, sagt die Stadt Bad Vilbel – Nein, der Karbener Nabu-Vorsitzende Jürgen Becker. Für ihn gab es keinen Anlass, die Bäume zu fällen.
Karben/Bad Vilbel. „Es ist erschreckend, wie mit unserer Natur umgegangen wird!“, ärgert sich Jürgen Becker, Vorsitzender des Naturschutzbundes in Karben. Gemeinsam mit seiner Frau hat sich Becker am Wochenende die übriggebliebenen Baumscheiben entlang des „Karbener Wegs“ (Weilachgrabens) angesehen, die zwischen der Gemarkung von Karben und Dortelweil stehen.
„Nicht nur ältere Pappeln wurden gefällt – auch junge. Die Verkehrssicherheit wurde dabei nur als Alibi vorgeschoben“, empört sich Becker. Vorwürfe, die Bastian Zander von der Stadt Bad Vilbel nicht nachvollziehen kann. „Wir haben zahlreiche Experten um ihre Meinung gebeten, außerdem einen Baumkontrollgutachter beauftragt. Allesamt waren sich einig, dass die Pappeln morsch sind“, so Zander.
Experten involviert
Das Baumkontroll- und Sachverständigenbüro Thomas Sinn hat die Verkehrs- und die Standsicherheit von insgesamt 67 Bäumen mit der Note 4 bis 5 (schlechter Allgemeinzustand, gravierende Schäden) bewertet.
Von „Astbruch“ und „Holzschäden“ ist in dem mehr als 65 Seiten starken Gutachten die Rede. Der Zustand der Bäume habe sich immer weiter verschlechtert, fast alle Bäume seien morsch und im Inneren teilweise hohl, heißt es seitens der Stadt.
„Die Gegend ist außerdem sehr windig“, berichtet Zander. Vor allem zum Schutze von Radfahrern und Fußgängern seien nun die 53 Bäume entfernt worden. 14 weitere Pappeln wurden bereits im vergangenen Jahr gefällt. Zuvor hatte auch etwa Peter Paul vom Nabu Bad Vilbel die Bäume als „altersschwach“ und gar als „potenzielle Gefahr“ bezeichnet. Die Fällung sei notwendig gewesen – und eine „sinnvolle Maßnahme“. Von den Bäumen sei häufig Totholz gefallen, zudem gehörten die Pappeln nicht in die hiesige Landschaft.
Für Jürgen Becker sind diese Aussagen nicht nachvollziehbar. „Fallen die Bäume von selbst um, dann ist das etwas anderes, als wenn sie gefällt werden“, ärgert er sich.
Becker sieht einen völlig anderen Grund im Fällen der Bäume. „Es scheint, als ob einige Verantwortliche etwas gegen Pappeln hätten, da diese Bäume nicht so verzweigt sind wie andere“, so der Karbener Nabu-Vorsitzende. Der Gewässerökologe Gottfried Lehr hatte zuvor angemerkt, dass es für manche Vögel schwierig sei, sich in diesem Geäst anzusiedeln.
Doch das ist für Becker kein Argument. Bisher seien auf den Wiesen hinter dem Karbener Weg trotz der hohen Pappeln bereits Kiebitze gewesen. „Dass mit der Beseitigung der landschaftsprägenden Baumreihe auch der Feldlerche und Schafstelze geholfen werden solle, sticht auch nicht, weil die Pappeln Lebensraum für Gelbspötter, Pirol und weitere Vogelarten waren.“
Nicht einheimisch
Für Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) sind die Pappeln darüberhinaus nicht standortgerecht, „da es sich nicht um einheimische Baumarten handelt“. Sie seien einst als schnell wachsendes Nutzholz angepflanzt worden. „Ökologisch sinnvoller ist es daher dem bereits vorhandenen Unterwuchs noch mehr Freiraum zu bieten. Demzufolge verbietet sich auch eine Neupflanzung“, so der Bürgermeister.
Sauerstoff spenden
Für Becker hingegen gehören die Bäume zum Landschaftsbild, das die Gegend zwischen Klein-Karben und Dortelweil prägt. „Die Säulenpappeln sind vermutlich Mitte des 18. Jahrhunderts nach Deutschland gekommen und sind damit schon lange Bestandteil unseres heimatlichen Landschaftsbildes“, sagt der Karbener. Außerdem würden die „ungeliebten Pappeln“ Sauerstoff spenden, dazu für Staubbindung und Geräuschreduzierung sorgen.
Was Becker nun aber nach seinem Spaziergang vom Wochenende besondere Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass noch einige Pappeln in der Gemarkung übriggeblieben seien. „Werden diese Pappeln demnächst auch gefällt?“, fragt sich Becker. Und in der Tat. Im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde sollen von der Stadt Bad Vilbel in den nächsten Wochen 30 weitere Bäume gefällt werden. Nach „Abschnitt A“ sei nun der „Abschnitt B“ dran, sagt Zander. Damit gemeint ist die Gegend bis zum Dortelweiler Golfplatz. Auch hier werden Pappeln weichen.