Zum ersten Mal stand Karbens Biogasanlage für jedermann zum Besuch offen. Anlass: der Tag der Nachhaltigkeit.
Karben. „Ganz schön feucht.“ Hans Weiler aus Klein-Karben greift mit seiner Hand in die Maissilage. Einer der Lastwagen hat sie eben auf der riesigen Asphaltfläche der Karbener Biogasanlage abgekippt. Sofort machen sich Schlepper daran, die gehäckselten Pflanzen auf der Miete aufzuschichten.
So wie Hans Weiler sind es an die 100 Menschen, die die Biogasanlage besuchen. Zum ersten Mal ist sie für die Bürger zugänglich: Anlässlich des hessenweiten Tages des Nachhaltigkeit bietet die Stadt Führungen an. „Eigentlich ein bisschen früh“, räumt Ralf Döpp ein. Noch läuft der Probebetrieb, wird überall gearbeitet. Derweil hat diese Woche die Maisernte begonnen. „Wir sind etwas im Stress“, sagt Döpp noch. „Aber das ist eine einmalige Gelegenheit, um rüberzubringen, warum die Anlage so nachhaltig ist.“
Ralf Döpp ist Geschäftsführer der Karbener Biogas-GmbH und arbeitet bei den Städtischen Werken Kassel. Sie sind mit Projektentwickler Abicon, den Karbener Stadtwerken und 20 Landwirten aus der Wetterau Besitzer der Anlage. Was auf die Nachhaltigkeit hinweist: Aus einem Umkreis von maximal zehn Kilometern stammt die Maissilage, die derzeit vier Wochen lang angeliefert wird, erklärt Wilhelm Eckel von Abicon auf eine Besucherfrage.
36 000 Tonnen Maissilage soll die Ernte 2012 bringen, nach 16 000 Tonnen im vergangenen Jahr. „Damit können wir die Anlage bis Anfang 2014 betreiben“, erklärt Ralf Döpp. Dass große Laster vorfahren, erstaunt die Besucher. „Ich dachte, hier kommen die Bäuerchen mit ihren Schleppern“, sagt ein Senior mit Kappe. Wilhelm Eckel erklärt das ausgeklügelte Erntesystem, wie Schlepper die Silage zu nahe an den Erntefeldern gelegenen Aufladepunkten bringen. Die Laster fahren dann zur Anlage. „Das ist viel effizienter: Ein Laster ersetzt mehrere Schlepperfahrten“, erläutert Eckel.
Erklärung vs. Ängste
Was weniger Lärm für Anwohner in den Ortsdurchfahrten bedeutet. Null Reaktionen von dort waren im vergangenen Jahr die Folge. „Und das nach den vielen Diskussionen!“, wundert sich Groß-Karbens früherer Ortsvorsteher Werner Gold (CDU). Die Anlage musste er sich unbedingt anschauen. „Wir haben ja intensiv darüber beraten.“
Waltraud Haertel aus Okarben ist dennoch nicht zufrieden. „Langfristig führt das doch zu einer Monokultur“, mahnt das grüne Urgestein. „Wir achten darauf, dass die Landwirte die Fruchtfolge einhalten“, widerspricht Ralf Döpp. Das sei in den Verträgen festgeschrieben. Auch sollten weitere Pflanzen – Zuckerrüben, Grassilage und anderes – genutzt werden, ergänzt Wilhelm Eckel. „Da unterstützen wir die Forschung, aber sie ist noch nicht so weit.“ Die Betreiber wollten unbedingt weniger Mais nutzen: „Er hat ein Imageproblem, weil er spät geerntet wird und lange allein in der Landschaft steht.“
Auf jede Frage haben Döpp und Eckel eine Antwort. „Nun kann man sich das viel besser vorstellen“, sagt Fast-Pensionär Hans Weiler. Nun läuft er, die Kamera schussbereit, mit den anderen an den riesigen Rundbauten mit ihren markanten grünen Tragluftdächern vorbei, hinter deren Wänden das saubere Gas aus der Gärsuppe blubbert. „Meine Frau sagte schon ein paar Mal: Man riecht es“, berichtet Weiler. Doch hier oben hat er nur einen leichten Gärgeruch in der Nase. „Der verfliegt sofort.“ Also muss er seine Gattin aufklären: Von hier stammt der Geruch nicht.
CO2-Einsparung
„Das System muss geschlossen sein“, erklärt Wilhelm Eckel. Sämtliches Gas soll ja genutzt werden: Erst um im Blockheizkraftwerk Strom zu erzeugen. Danach wird es „gewaschen“ und in Erdgasqualität ins Netz eingespeist. Ab Dezember soll das im Regelbetrieb laufen. So erzeugt die Anlage fast ein Megawatt elektrischer Energie – plus pro Stunde 350 Kubikmeter Gas. 18 000 Tonnen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid spart die Anlage jährlich ein. (den)