Bad Vilbel. Von Mittags bis Mitternacht wurde bei Hitze und Kälte um Punkte gekämpft. Die drittletzte Disziplin, der Stabhochsprung, begann am Freitag in der Dämmerung. Wenige Stunden später hatte Thomas Stewens seine Ziele erreicht. Er ist Zehnkampf-Europameister M45 und hat den alten M45-Weltrekord übertroffen.
Zwei Jahre lang hatte er sich intensiv auf die Zehnkampfmeisterschaften in Zittau vorbereitet. In einem bis zur letzten Sekunde spannenden Kampf setzte er sich mit 7562 Punkten gegen eine starke Konkurrenz durch und erzielte in Zittau gleichzeitig die höchste Punktzahl aller Altersklassen. Mit seinem Ergebnis stellte er auch den Weltrekord ein, mit dem der österreichische Leichtathlet Dr. Georg Werthner vor 11 Jahren eine Bestmarke gesetzt hatte.
„Alles hat erst mal verblüffend gut geklappt“, erzählte Thomas Stewens im Gespräch. Zum Auftakt am Donnerstag absolvierte er den 100-Meter-Lauf in nur 12,26 Sekunden. „Enttäuschend war der Weitsprung mit 5,84 Metern. Aber das war kein Beinbruch.“ Auch mit dem Resultat von knapp zwölf Metern im Kugelstoßen war der Athlet zufrieden. Und schon die nächste Disziplin, der Hochsprung, brachte mit 1,75 Metern wieder ein sehr gutes Ergebnis. Nach einem gelungenen 400-Meter-Lauf schloss er den ersten Wettkampftag auf Platz zwei ab und rangierte knapp hinter dem bislang amtierenden M45- Weltmeister Christopher Gerhard.
„Christopher Gerhard hatte insbesondere mit einem Kugelstoß von knapp 14 Metern und der besseren 100-Meter-Zeit einen sehr starken Tag“, sagte Thomas Stewens. Die beiden Spitzenathleten setzten ihr dramatisches Duell am zweiten Wettkampftag fort. Nach dem Hürdenlauf, den er mit der zweitbesten Zeit in 16,85 Sekunden absolvierte, übernahm Thomas Stewens die Führung im Gesamtergebnis.
Nach einem schwachen Diskuswurf zog sein ärgster Konkurrent um 200 Punkte davon. Im Stabhochsprung beide 3,90 Meter. Mit einem Speerwurf von 45 Metern holte Thomas Stewens knapp 60 Punkte auf. „144 Punkte musste ich Christopher Gerhard auf dem 1500-Meter-Lauf abnehmen. Das bedeutete 26 Sekunden. 27 habe ich ihm abgenommen.“ Für Thomas Stewens selbst waren die vier Minuten und 44 Sekunden im 1500-Meter-Lauf die beste Leitung, die er im Zehnkampf erbrachte. Das knappe Ergebnis reichte aus für den Sprung auf die oberste Stufe des Siegertreppchens. Der neue Europameister Stewens erklärte: „Wir haben uns gegenseitig motiviert und waren dann beide über der alten Weltrekord-Marke.“ Ob er sein Ziel, diese Bestmarke einzustellen, erreichen würde, war insbesondere in den letzen Monaten in Frage gestellt. Vor elf Wochen setzte ein 90-prozentiger Riss des vorderen Kreuzbandes im Knie dem intensiven Training ein Ende. „Erforderlich war sehr viel Rehabilitation und die Umstellung des Trainings auf Grundlagen wie Kraft, Ausdauer und Stabilisation“, so der Europameister, der in Dortelweil lebt, Mitglied im TV Bad Vilbel ist und auch vom ehemaligen Leiter der Leichtathletikabteilung, Holger Rühl, unterstützt wurde.
Obwohl das spezifische Training sehr viele Abstriche erfuhr, hielt Thomas Stewens an seinem Vorhaben fest, in Zittau an den Start zu gehen. In einem zweiwöchigen Trainingslager in Lanzarote, das ideale Rahmenbedingungen bot, traf er letzte Vorbereitungen. „Europameisterschaften im eigenen Land sind etwas ganz Besonderes. Deshalb hatte ich mir vorgenommen, hier zu versuchen, einen neuen Weltrekord aufzustellen“, erklärte er und zeiget sich von der Atmosphäre in Zittau beeindruckt. „Es war ein Riesensportfest. 4000 Athleten aus ganz Europa nahmen teil.“ 30 Leichtathleten gingen im Zehnkampf M 45 an den Start. „Die Athleten feuerten sich gegenseitig an. Jeder kämpfte, um für sich das beste Ergebnis zu erreichen“, so Stewens. „Mich persönlich hat es gefreut, dass meine Frau und meine fünfjährige Tochter mich während der zwei Tage so tatkräftig unterstützt und angefeuert haben“, so der Europameister.