Karben. Einige Senioren sitzen am Tisch, einige nutzen die Sofaecke. Sie lesen, eine kleine Gruppe unterhält sich. Mit den Besuchern geht Heimleiterin Gabriele Roettger hier vorbei, in den Pflegebereich ein Stockwerk tiefer – er ist leer. Nach und nach wollten die Johanniter ihr Seniorenstift in Klein-Karben belegen. Doch die Erstbelegung des Hauses mit seinen 105 Plätzen ist ins Stocken gekommen: Es fehlen Hausärzte, die die neuen Bewohner betreuen. Als Roettger das den Teilnehmern einer Begehung des Ortsbeirates Klein-Karben erklärte, staunten die nicht schlecht. „Wir brauchen erst einen neuen Arzt, bevor wir weitere Bewohner aufnehmen können.“
Karben ist unterversorgt, was die medizinischer Allgemeinversorgung betrifft. Nach dem Weggang eines Arztes samt seines Hausarzt-Sitzes nach Florstadt im vergangenen Jahr liegt die Zahl der Einwohner pro Arzt in Karben deutlich über dem Landesschnitt: Mehr als 1300 Patienten versorgt jeder der örtlichen Allgemeinmediziner.
Mit ihrem Nein zum Behandeln neuer Patienten im Johanniter-Stift haben die Hausärzte nun offenkundig die Notbremse gezogen. „Die Angehörigen sind irre sauer“, erläutert Heimleiterin Roettger. Sie mache bereits „Kniefälle vor den Ärzten“. Für die 35 noch freien Betreuungsplätze gebe es eine Warteliste. „Wir könnten viele Bewohner sofort aufnehmen.“
Ohne hausärztliche Betreuung darf das Seniorenheim das aber nicht: „Wir sind immer auf Anweisungen eines Arztes angewiesen“, erläutert Roettger. Jeder medizinische Handgriff, den die Pfleger machten, müsse angeordnet sein.
Der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV) ist das Problem Karben bisher nicht bekannt. „Wir haben von keinem einzigen Patienten eine Rückmeldung, dass er nicht versorgt wird“, erklärt KV-Sprecher Karl Roth. Statistisch gesehen habe die Wetterau bei Allgemeinmedizinern einen Versorgungsgrad von 109 Prozent. Bisher läuft die Bedarfsplanung für die Hausarzt-Versorgung nur auf der Ebene von Landkreisen. Der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen habe jedoch erkannt, dass diese Vorgabe örtlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Deshalb wird die Vorgabe gerade auf Bundesebene überarbeitet. Auf das Problem wollen nun das Johanniter-Heim und Bürgermeister Guido Rahn (CDU) die KV aufmerksam machen. Dass Karben wieder einen achten Hausarztsitz erhält, wolle man fordern, so Rahn. Teilweise sei die Versorgung der Heim-Bewohner nur möglich, indem Notärzte gerufen würden. „Dadurch entstehen hohe Kosten für die Allgemeinheit und die Patienten“, kritisiert Roettger. Diese Situation sei „sehr unbefriedigend“. (den)