Bad Vilbel. Als eine „kraftvolle Demonstration gegen kleinkarierte Vorschriften und hinderliche hierarchische Machtausübung“ verstand der Katholik Hans-Gerd Sütfels einen gemeinsamen Gottesdienst von Protestanten und Katholiken am Sonntag. Im Freien, unter den Kastanien am evangelischen Gemeindezentrum Hainstraße betete er „zum Herrn, dass er die kirchlichen Verkrustungen lösen und die verlorene Glaubwürdigkeit wieder herstellen möge“.
Die deutlichen Worte des offiziell als „Wortgottesdienstbeauftragter“ seiner Kirchengemeinde auftretenden Christen Sütfels waren Programm für eine seit 18 Jahren gepflegte Tradition. Die beiden Kirchengemeinden wechseln sich jährlich ab zum ökumenischen Gottesdienst. Diesmal war die Gemeinde von Pfarrer Werner Krieg an der Reihe. Krieg sinnierte in seiner Ansprache darüber, wer sich wohl „nach uns“ um das gemeine Ganze kümmern werde. Er wäre kein Pfarrer, wenn er nicht voll Gottvertrauen auf Menschen hoffte, die auch in Zukunft sich um Gemeinwesen und Gemeinde kümmerten.
Unter einer Kastanie
Das Blasorchester Massenheim unter der bewährten Leitung von Peter Lüttig spielte zum Gemeindegesang und zur Unterhaltung schwungvoll auf. Katholiken und Protestanten saßen gemeinsam unter den prächtigen Kastanienbäumen, aßen zusammen und plauderten – lebten die Ökumene, die auf offizieller Ebene nicht unproblematisch ist.
Denn der „ökumenische Gottesdienst“ war ein „evangelischer mit katholischer Begleitung“ (Pfarrer Krieg), ebenso wie die Taufe eines kleinen Mädchens eine evangelische Taufe war. Für die Glanzpunkte der Festlichkeiten sorgte Kantorin Eva-Maria Broske. Nicht nur präsentierte sie ihren seit Jahrzehnten betreuten gemischten Kirchenchor in Hochform. Die Vertonung von Paul Gerhardts Gedicht „Wach auf mein Herz und singe“ trug der Chor in den ersten beiden Strophen fünfstimmig vor und die dritte Strophe mit einem anderen Satz. Schließlich gab es sozusagen als Knüller einen Song mit Text in Englisch und Suaheli, für den der Chor schon mal spontanen Beifall in einem Konfirmationsgottesdienst geerntet hatte.
Am frühen Nachmittag vereinte Eva Broske alle ihre Kinderchöre mit Beteiligung von Blechbläsern unter dem Dach eines Musicals. Mit Stimm- und Posaunengewalt wurden im voll besetzten Gemeindezentrum die Mauern von Jericho symbolisch zum Einsturz gebracht. Anhaltender Beifall belohnte die Fleißarbeit.