Es könnte der große Durchbruch für das brachliegende Bad Vilbeler Gewerbegebiet Quellenpark werden. Chinesische Investoren erwägen, dort ein Großhandelszentrum zu bauen. In Berichten wurde eine Investitionssumme von 700 Millionen Euro genannt. Doch noch ist alles offen. Aber es gebe „großes Interesse“, hat Stadtrat Klaus Minkel (CDU) im Reich der Mitte erfahren.
Bad Vilbel. „China ist anders.“ Das hat Minkel als Vertreter des Stadtwerke-Eigenbetriebs bei der Visite erfahren, bei der ihn diese Woche der Makler Klaus Bresser und Firmenvertreter begleiteten. Reiseziel war die ostchinesische Boom-Metropole Linyi mit 11,2 Millionen Einwohnern.
Erst 1981 sei dort der Handel freigegeben worden, erzählt Minkel. Doch in nur einem halben Menschenleben habe die Stadt „alle wirtschaftlichen Entwicklungsstufen durchlaufen, die man sich vorstellen kann“. Linyi gelte als berühmteste Handelsstadt Chinas, fortgeschrittenster Bezirk in Technik und wissenschaftlicher Entwicklung, die Stadt mit dem höchsten Investitionsvolumen in China, lobt er.
Großer Kontrast
Der Kontrast zu dem nördlich der Nordumgehung gelegenen Quellenpark, wo statt des Handels bislang nur das Getreide gedeiht, könnte kaum größer sein. Mehrere Großprojekte sind bislang nicht aus der Ideenphase herausgekommen: die Hochtief-Pläne eines Bürokomplexes endeten als „Option“, die Brauerei Radeberger stieg aus, die Ansiedlung des Möbelhauses Segmüller scheint nur noch auf dem Klageweg durchsetzbar.
Doch nun das: ein Großhandelszentrum auf 200 000 Quadratmetern für 700 Millionen Euro, wo chinesische Anbieter mehr als 500 Produkte europaweit präsentieren wollen, wie es in einem Bericht der Frankfurter Rundschau hieß. Darin kündete Zhongqi-Vorstandschef Lu Changqing an: „Einen formellen Vertrag werden wir Ende Juni unterzeichnen“.
Das Unternehmen sei im Finanzbereich tätig, baue auch Gewerbe- und Tourismus-Immobilien. Der Kontakt nach Bad Vilbel, wird Lu zitiert, sei über den Makler Klaus Bresser zustande gekommen, den ein Journalist des chinesischen Parteiblattes „Volkszeitung“ in Frankfurt kennengelernt habe. Bresser habe Lu an Minkel, dieser an Bürgermeister Thomas Stöhr CDU) empfohlen.
Konkrete Formen haben die Investitionspläne noch nicht, „es ist die erste Etappe von weiteren“, sagt Minkel. Aber schon diesen Monat wird der Gegenbesuch einer chinesischen Delegation erwartet. Mit dabei sind Vertreter der Zhongqi Investment Group, die das Projekt planen. Dabei handele es sich um einen Konzern mit mehr als 70 Firmen, die in vielen Ländern der Erde aktiv seien, erläutert Minkel.
Das geplante Handelszentrum werde über die reine Logistik hinausgehen, solche Flächen seien andernorts billiger zu haben, meint Minkel. Auch über eine Städtepartnerschaft mit der chinesischen Metropole wurde schon gesprochen, bestätigt Minkel: „Deutschland genießt ein hohes Ansehen in China“. Er recherchierte bereits, was sein ins Chinesische transponierter Name bedeutet: „Ming ke“ steht dort für „hell und fleißig“.
„Die gute Lage, das Angebot des Quellenparks hat sich bis China herumgesprochen“, freut sich Bürgermeister Stöhr. Angesprochen auf mehrere chinesische Projekte in der Region, die im Absichtsstadium stecken geblieben sind, betonte er, das Ziel der Verhandlungen sei ein Grundstückskaufvertrag, möglicherweise ergänzt mit Flächen-Reservierungen.
Ein Messezentrum gibt es in der Nachbarschaft bereits: die China Permanent Fair GmbH hat in Mörfelden-Walldorf nach drei Jahren Anlauf im Herbst 2010 eine Dauermesse mit bis zu 200 Firmen aufgebaut. Die größten Probleme in den gemieteten Hallen seien Brandschutz und Visa für die chinesischen Geschäftspartner gewesen, sagt der Geschäftsführer Wilfried Wolf.
Kooperationschance
Er sieht in den Vilbeler Plänen keine Konkurrenz, sondern die Chance zur Kooperation. Auch Zhongqi kennt er, weiß, dass sich der eigentliche Investor im Hintergrund halte. „Die Chinesen sind sehr vorsichtig, was Versprechungen angeht, lassen die Dinge gerne offen“, weiß Christian Große, CDU-Vorsitzender in Massenheim. Er hat China-Erfahrung durch die Gründung zweier Niederlassungen und eines Joint ventures von Fertigungsfirmen. Die Chinesen holten alle möglichen Informationen vorher ein, „aber wenn sie sagen, sie machen es, machen sie’s wirklich“. Bis ein konkreter Vertrag stehe, könne es ein Jahr dauern. Bis dahin müsse auch die Stadt prüfen: „Wer steckt dahinter, welche Partei, welcher Geldgeber?“
„Mein Credo lautet: Geduld“, sagt auch Walter Engelmann, Vize-Geschäftsführer in der IHK Frankfurt. Man solle sich die chinesischen Partner sehr genau anschauen. Vor den geschäftlichen Fakten werde erst übers Essen, Familie und Persönlichkeiten geredet. Außerdem solle man „festlegen, was gemacht werden soll“ – und Erwartungen nicht zu hoch hängen.