Am Sonntag hätte es soweit sein sollen: Dann sollte der neue Großflughafen in Berlin eröffnet werden. Doch das Projekt wurde – wie bekannt – zum Fiasko. Eine Vorahnung dazu hatte ein Karbener: Er war einer von tausenden Testpassagieren im Chaos-Terminal.
Karben. Werner Gold (72) ist ein weit gereister Mann. „Zwölf Jahre lang war ich Frequent Flyer bei der Lufthansa“, also Vielflieger. Um die halbe Welt war er unterwegs, sehr viel in Europa, zuletzt im Auftrag eines Industrieverbandes, dessen Geschäftsführer er war.
Gold weiß also, was ihm als Passagier an Flughäfen gefällt und was nicht. Kein Wunder, dass er prompt eine Zusage erhielt, als er sich auf den Aufruf hin beim neuen Berliner Großflughafen als freiwilliger Testpassagier bewarb. Was er auf der Baustelle des Willy-Brandt-Airports aber erlebte, das hinterließ bei ihm Stirnrunzeln. Und als die Berliner einräumten, dass der Flughafen nicht rechtzeitig zur Eröffnung am 3. Juni fertig würde – Werner Gold hat das nicht gewundert.
Die Luftfahrt fasziniert den Groß-Karbener. „Schon als Kind“, da schnippelte er an Bastelbögen, baute später selbst kleine Flugzeugmodelle. Mächtige Modelle von Weltraumraketen stehen auf dem Schrank im Wohnzimmer des Reihenhauses im Norden von Groß-Karben. Neben dem Esstisch, in einem Regal an der Wand, sechs Modelle von Lufthansa-Maschinen. Von der kleinen Boeing 737 bis zum neuen, riesigen Airbus A 380. „Es ist“, sagt Gold und lächelt, „ein lebensbegleitendes Hobby.“ Das andere ist die Politik: Bis zum vergangenen Jahr war er Ortsvorsteher.
Nun, im Ruhestand, hat er Zeit für seine Hobbys. Als er mitbekam, dass der neue Berliner Großflughafen Freiwillige als Testpassagiere brauche – Werner Gold meldete sich sofort. Und er wurde auch sofort genommen. „Ich konnte das gut mit einem Familienbesuch in Berlin verbinden“, erklärt er. Da fiel es nicht so ins Gewicht, dass die Flughafengesellschaft bloß das S-Bahn-Ticket nach Schönefeld zahlte.
Bis aufs Vorfeld
Abfliegen als Passagier „Frank Krause“ vom neuen Airport mit dem Code BER nach Abu Dhabi – diese Aufgabe bekam Gold an jenem Morgen vor nicht einmal zwei Monaten zugeteilt. 200 bis 250 Testpersonen erhielten grüne Sicherheitswesten und -helme, sollten zugleich die Check-in-Schalter stürmen, dann ihren Weg zum Flugsteig finden.
„Alle bekamen Koffer in die Hand gedrückt, einige auch noch Zusatzaufgaben“, berichtet Werner Gold. Eine Frau sollte einen Schwächeanfall simulieren, jemand anderes einen Hund mitnehmen, alle mussten durch die übliche Sicherheitskontrolle. „Ein Prozedere wie an einem normalen Flughafen.“
Normal aber verlief dann eigentlich nichts, erinnert sich der Groß-Karbener. „Das war schon am Check-in ein reines Chaos.“ Die Schlangen lang, die Abfertigung quälend langsam. Dann funktionierten keinerlei Rolltreppen oder Laufbänder. „Man musste sich alles erwandern – und bei den Dimensionen dieses Flughafens war das hart.“ Überall sei gehämmert worden, ohne weiteren Schutz liefen Flexarbeiten, Plastik- und Holzverkleidungen schützen das Interieur. „Das war eine Baustelle und wirklich kein Flughafen“ – und das keine zwei Monate vor der Eröffnung.
Realistisch führte das Planspiel die Freiwilligen bis zum Ausgang, durch den es normalerweise zum Flieger geht. „Da war natürlich kein Flugzeug“, sagt Gold. Die Tester verließen das Terminal aufs Vorfeld und wurden durch die Nachbartür zurück hinein gelotst.
Mängel en masse
Massenhaft konnten die Freiwilligen Mängel notieren. „In den Wartebereichen an den Flugsteigen gab es keine Toiletten“, berichtet Werner Gold. Viel zu wenige Info-Displays gebe es. Die Treppenhäuser seien völlig dunkel gewesen. Und als er seine zweite Aufgabe bekam, als Umsteigepassagierin „Dora Trogisch“ ins indische Mumbai weiterfliegen zu wollen, musste er gleich zwei Sicherheitskontrollen in Sichtweite passieren. „Schon die erste leuchtete mir nicht ein, denn ich kam ja schon als ,Passagier‘ an.“ Immerhin: Sehr schick, sehr edel sehe der neue Airport aus. „Viel Glas, hell, schön“, sagt Vielflieger Werner Gold. „Aber das erwarte ich auch von etwas Neuem.“ Angesichts der massiven Mängel aber hätten eigentlich sämtliche Tester ihre Zweifel gehabt, wie die Bauherren den Eröffnungstermin einhalten wollten. „Dass das nicht klappt, haben alle vermutet – aber als Nichtfachmann kann man es eben nicht so genau beurteilen.“
Die Mängel, die er beim Arbeitsschutz sah, ließen den Groß-Karbener Ungutes ahnen: „Es zeigt, dass die Verantwortlichen wohl in ihrer Denke steckengeblieben sind.“ Und dass die Berliner dann die Eröffnung absagten? „Das ist sehr vernünftig“, findet Werner Gold, zumal wenn der Brandschutz nicht gewährleistet sei. „Solche Großprojekte verzögern sich doch alle, die Fristen sind zu kurz kalkuliert.“
Dass er womöglich ein klein wenig dazu beigetragen hat, dass das nicht die Passagiere an einem unfertigen Flughafen ausbaden müssen, darauf ist der Groß-Karbener stolz. Es sei doch etwas ganz Besonderes, als Passagier einen neuen Airport zu testen, statt nur abzufliegen. (den)