„Deutschland ist das Land, das mit den ,hidden Champions’ gesegnet ist und Manfred Meyer ist einer davon“, erklärt Ehrenstadtrat Klaus Minkel auf Anfrage, ob er Manfred Meyer kenne. Als „Heimliche Gewinner“, oder besser bekannt unter dem englischen Begriff „hidden Champions“, werden relativ unbekannte kleine oder mittelständische Unternehmen, die in ihrem Markt jedoch Marktführer sind, verstanden oder die – wie Manfred Meyer – Großes geleistet haben.
Bad Vilbel. Ein Büro im Heilsberger Samlandweg 31 ist seit 50 Jahren die „Kommandozentrale“ für ein außerordentlich erfolgreiches Unternehmen mit Drähten in alle Welt. Am vergangenen Sonntag feierte Manfred Meyer, der 85 Jahre alte Firmeninhaber aus Bad Vilbel, im City-Hotel auf dem Heilsberg im Kreise namhafter Persönlichkeiten das 50. Firmenjubiläum. Meyer, Jahrgang 1927, ist unter Orchideenkennern eine Berühmtheit und es wäre keine Übertreibung, ihn als den Vater der Zimmerorchideenzucht zu bezeichnen, die heute Millionen von Männern und Frauen, in einem Wort Orchideenliebhaber, täglich entzückt, wenn sie ihre in großer Vielfalt existierenden Orchideen ansehen.
Meyer macht’s möglich
1962 gründete der Bad Vilbeler Blumenfreund mehrere Samenhandlungen, unter anderem auch im benachbarten Frankfurt am Main. Die Hauptabnehmer dieser Samenhandlungen waren anfangs ausschließlich Gartenbaubetriebe, Fachhändler und botanische Institute. Der Palmengarten zählt heute zum angesehenen Kundenstamm. Mit der Neugründung setzte Manfred Meyer eine durch den zweiten Weltkrieg unterbrochene Familientradition fort, die ihren Ausgang in Berlin, bei seinem Großvater Theodor Meyer hatte.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es schon zahlreiche Gärtnereien und Samenhandlungen, die sich der Pflege der Blumenzwiebelkultur widmeten. 1839 gründete der später als „Blumenzwiebelkönig“ bekannt gewordene August Mewes in Berlin seinen Betrieb, bot 357 Hyazinthen- und 100 Tulpensorten an und erzielte schnell einen Verkaufsrekord von 2,5 Millionen Knollen pro Jahr. Fast 50 Jahre später, 1888, erwarb Theodor Meyer, der Großvater Manfred Meyers, von Mewes’ Nachkommen das Geschäft, das schließlich Theodor Meyers Sohn Karl, Manfred Meyers Vater, weiterführte. Die Kriegsereignisse brachten ihn dann um den kriegszerstörten elterlichen Betrieb in Ost-Berlin. Der gelernte Samen-Kaufmann Manfred Meyer ließ sich im Westen nieder, lebt seit 1951 in Bad Vilbel. Am 1. April 1962 wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit mit einem kleinen Lager und Büro in seiner Wohnung auf dem Heilsberg. Mehrere Zweigstellen und eine Niederlassung in der Schweiz und in England folgten ebenso wie Kunden in vielen Ländern dieser Erde.
Zu den Orchideen kam Manfred Meyer ursprünglich aus Neugier, Bewunderung und vor allem auch aus Opposition. Er wollte nämlich zeigen, dass Orchideen nicht nur in Treibhäusern wachsen und gedeihen, sondern auch auf der heimischen Fensterbank, was Fachleute damals für unmöglich hielten. Aber Meyer ließ sich von seiner Idee nicht abbringen und bewies zusammen mit seiner Frau Adrianne Meyer, die er 1951 geheiratet hatte, standhaft das Gegenteil.
Dieser züchterische Erfolg veranlasste Prof. Dr. Carl Schwarz aus Langenfeld, ein ausgewiesener Orchideengärtner, während einer Besichtigung des „Wunders“ zu dem Ausspruch: „Frau Meyer, diese Orchideen in ihrem Fenster darf es eigentlich nicht geben!“
Das Interesse an Sache und Samen machten den gelernten Kaufmann erfinderisch und Manfred Meyer brachte mit der Gründung seines Unternehmens etliche Neuentwicklungen auf den Markt – innovative Pflanzennahrung, Nährböden für Orchideen-Aussaaten, Fensterbank-Sets, Pikiersubstrate, Keimboxen, Luftbefeuchter und vieles mehr, was die blumenzüchterischen Ambitionen beflügelte. So erwarb er sich einen Namen in den höchsten Fachkreisen. Klaus Minkel beschreibt es so: „Manfred Meyer gelang ein sensationeller Erfolg, der Abermillionen Menschen auf der Welt viel Freude verschaffte: Er entwickelte die Zimmerhaltung von Orchideen, was bis dahin als unmöglich angesehen worden war. Treibhausklima und Glashaus galten vorher als unabdingbar.“
Anfang des Jahres 1988 verstarb Manfred Meyers Frau Adrianne Meyer. Doch ein Jahr später lächelte ihm wieder das Schicksal gönnerhaft zu. Er heiratete 1989 erneut und auch seine zweite Frau, Apothekerin Helga Meisterburg, mit der er bis heute glücklich auf dem Heilsberg lebt, fand sich dank ihrer umfangreichen botanischen Sachkenntnisse schnell in die Materie der Firma und der Orchideenzucht ein. Lange standen beide gemeinsam an der Spitze des Betriebes. 2001 zogen sich die beiden aus dem Tagesgeschäft zurück und bestellten einen Geschäftsführer.
Zur Jubiläumsfeier am Wochenende fanden sich im City-Hotel viele Blumen- und Orchideenliebhaber ein, darunter auch die Familie Benary aus Erfurt/Hannoversch-Münden, eine weltberühmte Züchterfamilie.
Passend zum Jubiläum bekam Manfred Meyer die Antragsschrift an die Londoner Orchideengesellschaft überreicht, worin die Anerkennung einer Neuzüchtung mit dem Namen seiner verstorbenen Frau, Adrianne Meyer, beantragt wird, die ihm in den Anfangsjahren des Unternehmens so hilfreich, effizient und mit großer Hingabe für Blumen zur Seite stand.