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An der Geschichte stolpern – Sechs Steine an vier Orten erinnern an im Dritten Reich vertriebene und ermordete Bürger

Bad Vilbel. Sechs neue „Stolpersteine“ hat der Kölner Künstler und Bildhauer Gunter Demnig kürzlich im Bad Vilbeler Straßenpflaster verlegt. Die Inschriften auf den Messingplatten erinnern mit Namen und Daten an das Schicksal der von Nationalsozialisten und ihren Helfern ermordeten jüdischen und nichtjüdischen Mitbürger. Bereits im Oktober 2006 waren bei einem ersten Termin sechs Steine verlegt worden (Karoline Schiff, Frankfurter Straße 41; Elise Strauss, Wasserweg 4; Isidor Franz Strauss, Ritterstraße 41 sowie Adolf und Fanny Goldberg, Frankfurter Straße 151).

Zu den 50 Teilnehmern der zweiten Aktion gehörten unter anderem die Lehrerinnen Sabine von Trotha und Ilse Bernhard, Elternvertreterin Susanne Korschwitz und Schülerinnen aus den Klassen sechs bis zehn der Brunnenschule.

„Diese Stolpersteine, die vor allem Gedächtnissteine sind, erinnern an das Schreckliche, das auch in Bad Vilbel geschehen ist“, sagte Stadtrat Bodirsky. Sie ermahnten die Bürger zu einem friedlichen Miteinander der verschiedenen Religionen und zur gewaltfreien und friedlichen Lösung von Konflikten in Bad Vilbel und überall auf der Welt. Passend zu dieser Botschaft entzünden Franziska und Katharina aus der zehnten Klasse der Brunnenschule Teelichter. Ihrem Beispiel folgen Bettina aus der siebten und Katharina aus der sechsten Klasse.

„Jede Klasse aus unserer Hauptstufe hat einen Stein zum Gedenken an die Frauen und Männer in Bad Vilbel gegossen, die von den Nazis ermordet wurden. Wir hatten in unserer Schule Besuch von Trude Simonsohn. Sie hat Deportationen und Lageraufenthalte in Auschwitz und Theresienstadt überlebt und uns davon berichtet“, schildern die Schülerinnen ihre Motivation, an der Verlegung teilzunehmen.

Erste von vier Stationen an diesem Tag ist das Haus Frankfurter Straße 184 am Schöllberg. Es war der Wohnsitz des Sozialdemokraten und Gewerkschaftsfunktionärs Martin Reck (1874 – 1945), der neun Monate nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager (KZ) Dachau an den Folgen eines unsachgemäß behandelten Geschwürs gestorbenen ist. Zu den Zuschauern gehören auch die Enkel des ehemaligen Kommunalpolitikers, Margit und Martin Wiegand. Die Enkelin erblickte zehn Jahre nach Martin Recks Tod das Licht der Welt, ihr Bruder trägt den Vornamen des Großvaters. Nicht weit entfernt von Recks Wohnhaus steht das 1925 erbaute, sogenannte „Beamtenhaus“, Frankfurter Straße 162. Dort wohnte Dr. Albert Chambré (1888 – 1938), der Leiter der Vilbeler Realschule, der im KZ Dachau in den Tod getrieben wurde. Und der Oberamtsrichter des Amtsgerichts Vilbel, Rudolf Martin Homberger (1893 – 1942), der im Ersten Weltkrieg für seine Tapferkeit ausgezeichnet wurde. Nach unmenschlichen Qualen im KZ Buchenwald führt seine Spur ins Vernichtungslager Birkenau.

In die Innenstadt im Haus Frankfurter Straße 125, in dem sich heute die Metzgerei Ströhl befindet, lebte Emma Strauss, die Witwe des Metzgers und Fruchthändlers Hermann Strauss. Die Spuren der 1874 Geborenen verlieren sich in Auschwitz.

Zwei weitere neue Stolpersteine erinnern an den Quellenbesitzer Siegfried Wechsler und seine Frau Henny. Dem Paar gehörte ein Getreide-, Futter-, Düngemittelhandel und die Siegfried-Quelle in der Frankfurter Straße 20. Die Eheleute wurden 1942 deportiert, ihre Spuren verlieren sich in der Region Lublin.

Die Zahl der bundesweit verlegten Stolpersteine beträgt inzwischen über 11 000 in 212 Städten und Kommunen Deutschlands. Für April 2008 ist in Bad Vilbel eine weitere Verlegung geplant.

Internet: www.stolpersteine.com