In einem meiner Lieblingsfilme, Forrest Gump, gibt es eine beeindruckende Szene: Ein Vietnam-Veteran, an beiden Beinen amputiert und vom Leben schwer gezeichnet, gerät auf einem Fischerboot in einen Sturm. Er hängt oben in seinem Ausguck und wird von den Wellen hin und her geworfen. Der Sturm peitscht ihm das Wasser ins Gesicht, und das Schiff droht zu kentern. Er aber brüllt Gott seine ganze Wut entgegen. Er schreit ihn an und fordert ihn zu einem Zweikampf heraus.
Manch einer mag diese Szene für unangebracht halten. Kann man so respektlos mit Gott reden? Ich denke in diesen Tagen auch an die Eltern in Belgien und Holland, die ihre Kinder bei dem fürchterlichen Unfall in der Schweiz verloren haben. Wie soll man da mit Gott reden, außer zu schweigen oder Gott die ganze Verzweiflung und die Wut ins Gesicht zu schleudern?
Für die Bibel ist diese Art des Gesprächs mit Gott angemessen. Das sieht man in der berühmten Geschichte von Hiob. Hiob ist ein frommer Mann, vorbildlich in seinem Verhalten. Und doch verliert er alles, was er hat: seine Familie, seinen Besitz, seine Gesundheit. Und was macht Hiob? Er fordert Gott heraus, er klagt ihn an.
Seine frommen Freunde finden das unanständig und wenden sich von ihm ab. Aber von Gott heißt es am Ende, dass er dieses Reden von Hiob akzeptiert.
Die frommen Erklärungen des Leids durch die Freunde hingegen hält Gott für unangemessen. Manchmal ist offenbar das Klagen die angemessenere Form des Glaubens als die Erklärung, bei der Gott eine reine Weste behalten soll. Das ist das eine. An das andere denken wir in dieser Woche, der Karwoche: Wir denken daran, dass auch Gott das Leiden kennt. „Gott war in Christus“, so heißt es im Neuen Testament. Er hat das Leiden, den Schmerz, die Ablehnung am eigenen Leib erfahren. Als Christen glauben wir an einen Gott, der selbst gelitten hat und deshalb versteht, was es bedeutet. Gott betrachtet das Leid in der Welt nicht aus der Entfernung, zwar voller Mitleid, aber doch ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Nein, er mischt sich ein, auch wenn es Leiden bedeutet. Ich finde, das kann mich trösten, wenn ich mich im Schmerz an Gott wende: Er weiß wovon ich rede. Der Ruf Jesu am Kreuz „Warum hast du mich verlassen?“ ist ein Ruf, in dem auch ich mich wiederfinden und die Nähe zu Jesus erfahren kann.
Pfarrer Jens Martin Sautter,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel