Für das Fachwerkhaus mit dem seit dem Jahr 2006 geschlossenen Innenstadtlokal „Fulderkist’“ beginnt jetzt ein neues Kapitel. Nach langer Suche fand die frühere „Lottofee“ Karin Tietze-Ludwig einen Käufer. Er möchte das Gebäude aufwendig sanieren und in das restaurierte Ensemble um das Alte Rathaus einfügen.
Bad Vilbel. Einst florierte an der Ecke Erzweg / Frankfurter Straße das Nachtleben. Im Erzweg 4 befand sich das Musiklokal „Havanna Club“, das im Mai 2002 nach 25 Jahren wegen Anwohnerbeschwerden von der Stadt geschlossen wurde.
Von 1984 bis Mai 2006 machte Wirt Mathias Schostek das Kellerlokal „Fulderkist’“ zum beliebten Treffpunkt. Auch dieses Kapitel endete im Streit. Die ehemalige „Lottofee“ Karin Tietze-Ludwig, die das Haus 1977 mit ihrem Mann Hans-Jürgen kaufte, prozessierte jahrelang gegen den früheren Wirt.
Lange Zeit suchte sie nach einem Nachmieter, schließlich ging die Immobilie in den Verkauf. Nun hatte ein Bad Vilbeler Maklerbüro Erfolg. „Verkauft“, signalisiert das rote Transparent an der Fachwerkfassade.
Wie Tietze-Ludwig auf FNP-Anfrage erklärt, stammt der Käufer aus Frankfurt. Er beabsichtige, in dem Haus einen Laden oder ein Büro einzurichten. Eine Gastronomie werde es nicht mehr geben. Der Käufer sei kein typischer Investor, sondern „ein Kenner der Materie“.
So sollen beispielsweise die Dielen im ursprünglichen Stil wiederhergestellt werden. „Wir hatten gerade erst die Übergabe“, sagt Tietze-Ludwig.
Zwei Monate habe allein die Grundbuch-Eintragung gedauert. Jetzt werde ein Architekt sehen, was umgebaut werden könne. Ursprünglich wollte Tietze-Ludwig das komplette Haus mit zwei renovierten Fachwerk-Wohnungen sowie je zwei Gaststättenräumen im Gewölbekeller und im Erdgeschoss für 490 000 Euro verkaufen. Über den jetzt erzielten Erlös möchte sie sich nicht äußern. Eine Bier- oder Weinstube hat Tietze-Ludwig nach der aufwendigen Trockenlegung der Kellerräume und der Renovierung der beiden Wohnungen vorgeschwebt. An dem Haus hänge schon Herzblut, sagt Tietze-Ludwig, doch sei der Verkauf auch ein Abschluss, „ich kann das nicht alleine stemmen“.
Noch in den Siebzigerjahren war das Anwesen vom Abriss bedroht. Der damalige Bürgermeister Erich Glück (SPD) wollte das Eckhaus am liebsten abreißen lassen, um mehr Platz zum Abbiegen auf der damals noch zweispurigen Frankfurter Straße zu schaffen.
Müll und Ratten
Als die Tietzes das Haus 1977 entdeckten, regierte dort bereits seit langem der Verfall. Eine Schütte stand an einem Kellerfenster.
Es habe der Eindruck bestanden, „als ob ganz Bad Vilbel dort seinen Müll hinein gekippt hätte“, erinnerte sich die Ex-Eigentümerin 2008. Ratten seien umhergelaufen.
Die Tietzes entdeckten jedoch wertvolles Fachwerk und gewannen den Landesdenkmalpfleger Professor Gottfried Kiesow dafür, das Haus 1979 auf die Denkmalliste zu setzen.
Im Jahr 1978 spottete ein Leser über die Restaurierung in einer Lokalzeitung: „Am Erzweg bleib’ ich manchmal steh’ und denk, was iss dess für’n Mist mit dere aale Fulderkist? Was sinn dess bloß dann für Phantaste, die kaafe so’n aale Kaste.“