Bad Vilbel. „Lesestoff für kluge Köpfe“ war auf einer Plastiktüte zu lesen, die eine Zuhörerin, vermutlich Verlagsvertreterin, bei sich trug. Dass dieser Slogan auch auf Laszlo Trankowits neues, im FAZ Verlag erschienenes Buch „Weniger Demokratie wagen“, Untertitel „Wie Wirtschaft und Politik wieder handlungsfähig werden“ zutreffen kann, soll nicht in Abrede gestellt sein, schließlich ist Autor Trankovits ein weltweit kundiger und erfahrener Journalist mit beachtlicher Laufbahn als Büroleiter und Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur, Weißes Haus inklusive, und hat mit seinem vorletzten Buch „Die Obama-Methode. Strategien für die Mediengesellschaft“ schon ein vielbeachtetes spannendes Buch vorgelegt.
Wer aber die provokative Losung „Weniger Demokratie wagen“ aufgreift, der muss seinem Publikum auch erklären, wie das geht und wie das staatspolitisch aussehen könnte, mit welchen Wirkungen, welchen Folgen.
Was ist Demokratie, ist sie teilbar, gibt es sie portioniert, gar als Fingerfood nur häppchenweise? Was also bedeutet eigentlich weniger Demokratie? Endet das in einer Demokratur, in einer Diktatur (Light), in der Anarchie gar oder wo? Wichtige Fragen, die der Autor in seinem rhetorischen Diskurs nicht beantwortete. Prämisse des Abends war: Der Demokratie geht es nicht gut, sie darbt vor sich hin, leidet unter febrilen Ausschlägen.
Rotary-Präsident Heinz-Jürgen Knebel stellte den Gast in kurzen Worten vor. „Wir alle bekommen mit, wie bei uns Demokratie funktioniert oder nicht funktioniert: Stuttgart 21, Kraftwerk Staudinger“, riss er das Thema auf und überließ Trankovits sodann die Gestaltung des Abends.
„Wir kommen oft nicht mehr weiter“, sagt Trankovits, „wir brauchen Entscheidungen und mehr Demokratie könnte ein gefährlicher Irrtum sein“, gab er zu bedenken und rief den englischen Staatsmann Winston Churchill als Kronzeugen ins Heilsberger City-Hotel mit dessen Erklärung vom 11. November 1947 bei einer Rede im Unterhaus, wo Churchill „dekretierte“: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Mit anderen Worten, Demokratie ist die beste aller bekannten Herrschaftsformen.
„Ich habe ein Buch geschrieben, überzeugt davon, dass ich keine Freunde gewinne, eher Unbehagen erzeuge“ mit diesem „Buch über Politik und Demokratie, Deutschland, USA, China und Mitbestimmung, ein Buch über alles, das ist schwierig“. Die Botschaft seines Buches aber sei, „dass die Menschen, die so rumschimpfen, mal mitdenken sollen über ihre eigene Verantwortung“. Die Wahlbeteiligung sinke überall, Politiker hätten keine Visionen mehr, beklagte er, und immer mehr Politiker wagten gar nicht mehr zu sagen, was sie überhaupt denken, wenn sie noch denken. Politiker seien immer heftiger Getriebene, getrieben von uns Wählern, moniert Trankovits. An der Misere habe der Bürger ein gerüttelt Maß an Anteil, denn „Politiker, die keine Versprechungen machen, werden nicht gewählt“.
Nur gute fünf Minuten las er aus dem Vorwort seines Buches, einen kurzen Rückblick in seine Kindheitsjahre in Ungarn, die Flucht der Eltern während des Ungarnaufstand 1956. Ansonsten referierte er in freier Rede, schwärmte – leider nicht immer präzise, mitunter auch widersprüchlich – für Demokratie, die Freiheit, von Deutschland, wo man auch nachts ungefährdet durch Großstädte wie Frankfurt am Main flanieren könne, keine Angst haben brauche vor Polizisten oder als Frau gar den Blick senken müsse, wenn man einem Mann begegne. „Die Politik braucht Entschleunigung, mehr Ruhe, Zeit, die Dinge zu realisieren. Und wir schaden uns selbst, wenn wir die Politiker dauernd unter Druck setzen“, sagte Trankovits und forderte „mehr Gelassenheit, Respekt, mehr Hierarchie und mehr Bescheidenheit.“ Ein Hauch von Stammtisch hing in der Luft.
„Gibt es Widerspruch zu Laszlos Thesen?“, fragte Moderator Knebel und leitete ein lebhafte Debatte über die großen Themen unserer Tage, über Engagement und Grenzen, über „die Diktatur der Talkshows“ und der Verwaltungen, über die „unheimliche Macht der Medien“, über die Gebrechen des Volkes, das dahinsiechende Fernsehen und den „Dauerwahlkampf“ in der Politik. Matthias Krieger legte dabei sachte den Finger in die Wunde des Abends, als er feststellte, er „gehe davon aus, dass das Buch das Thema differenzierter erläutert“.
Es folgte die Signierstunde, und Trankovits hatte schön zu tun.
Laszlo Trankovits, „Weniger Demokratie wagen“ – Frankfurter Allgemeine Buch, Veröffentlichung: August 2011, 24,90 Euro, ISBN-13:9783899812459.