Bad Vilbel. Wie viel Tempo man mit einem „Rolli“ machen kann, das bewies das U 19-Team des Deutschen Rollstuhlsportverbandes (DRS), das im Berufsförderungswerk Frankfurt am Main (BFW) in Bad Vilbel und dessen Ausbildungshotel einen seiner Lehrgänge absolvierte.
Leon-Ole Schöneberg (14) legt in der städtischen Turnhalle Saalburgstraße ein rasantes Tempo vor, stoppt, greift nach dem Ball und zielt auf den Korb. Was nicht ganz einfach ist, denn schon ist sein Rollstuhl umzingelt von Gegen- und Mitspielern. Es klackt laut, wenn die Spezial-Rollstühle aufeinanderprallen, ist jedoch harmlos. Manchmal, im Eifer des Wettkampfs, kann es passieren, dass ein Spieler vorn überkippt. Dann stützt er sich mit den Händen ab, bis ein Begleiter ihn wieder in die Horizontale zurück kippt.
Rollstuhl-Basketball, das klingt für viele exotisch. Nicht so für die Mitarbeiter des BFW. In den Räumen der Reha-Einrichtung und des Ausbildungshotels können sich Gäste mit den unterschiedlichsten Handicaps fast wie zu Hause fühlen. Dabei geht es nicht nur um die bauliche Barrierefreiheit, berichtet der U 19-Teammanager Harald Junk: Aufzüge zur Tiefgarage, breite Türen auch im Bad, gut zugängliche Wege zur Rezeption. Auch die unsichtbaren Hürden fallen dort weg. „Die Jungs können sich ungezwungen abends im Foyer treffen und erzählen, ohne neugierig beäugt zu werden.“
Bis sie in bundesweiten Sichtungen oder durch Empfehlung ihrer Vereine in das U 19-Team eingeladen werden, haben die jungen Sportler schon einiges geleistet – und auch bewältigt. Lukas Jung (16) wurde bereits im Alter von zwei Tagen wegen eines Herzfehlers operiert. Die OP misslang. Seither ist er querschnittsgelähmt. Doch längst hat er seine Herausforderung gefunden, trainiert zwei Mal wöchentlich im Rollstuhlbasketballteam „Rolling Devils“ des 1. FC Kaiserslautern. „Am Anfang war das nicht so leicht“, räumt er ein. Doch der Teamgeist und die neuen Freundschaften motivieren ihn. „Erfolg macht schon Spaß.“ Im Herbst wird es ernst, da geht es auf ein Europaturnier nach Belgien.
Am schwierigsten findet Jung nicht das Manövrieren oder Werfen, sondern dabei auch noch die Spielübersicht zu behalten. Denn das Tempo auf dem Feld ist mit dem normaler Rollstuhltouren nicht vergleichbar. Die Basketballer sind in speziellen Sportrollstühlen unterwegs. Hinten haben sie ein Stützrad, seitlich quergestellte Räder, die das Gefährt extrem wendig machen. Unter den Füßen ist ein Bügel als Kollisionsschutz angebracht. Bis zu 5 000 Euro kostet solch ein Rollstuhl – gegenüber 2 500 Euro für normale Modelle. Für Jugendliche übernimmt noch die Kasse die Kosten, die erwachsenen Spieler müssen ihr Gefährt selbst bezahlen.
Bereits mit acht Jahren hat Leon-Ole Schöneberg mit dem Basketball angefangen. Jetzt ist er mit 14 der Jüngste in der U 22-Nationalmannschaft. Ein Teil der Motivation kam aus der Familie: Die Eltern und die Schwester sind ebenfalls begeisterte Basketballer. Koordination? Für Leon-Ole ist das kein Problem. Anfahren, dribbeln – alles ganz einfach, findet er. „Und man will einfach besser werden.“ Was das U 19-Team zum Abschluss seines Lehrgangs auch unter Beweis stellen konnte. Das Match gegen den RSC Frankfurt gewannen sie haushoch. Rollstuhlbasketball sei „keine Sache der Geschwindigkeit“, wirft Trainerin Christa Weber ein. Sie ist selbst eine sogenannte Fußgängerin, die jedoch als Trainerin selbstverständlich auch im Rollstuhl fährt.
Bundesweit gibt es etwa 150 Rollstuhlbasketballer, schätzt sie. 43 wurden dieses Jahr für die Nationalteams ausgewählt. Gerade für Leute, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, sei Sport besonders wichtig, betont Teammanager Junk. Die Beweglichkeit, aber auch gesunde Ernährung stehen bei den Lehrgängen auf dem Programm. „Das ist wichtig, wenn man den ganzen Tag sitzt.“
Doch am wichtigsten bei allem ist der Spaß am Sport: „Rollstuhlbasketball ist wie Fußball bei Fußgängern“, sagt Junk, „eine schnelle, aktionsgeladene Sportart.“ (zlp)