Karben. Beim Gottesdienst sitzen die Besucher auf Klappbänken und Gartenstühlen anstatt im Kirchenschiff. Die Stimmung ist trotzdem kein bisschen weniger andächtig. „Dem Himmel so nahe zu sein, das ist einfach schön beim Gottesdienst im Freien“, sagt Gemeindemitglied Maria Ballman (79) aus Kloppenheim.
Die Sonne meint es gut an diesem Sonntag mit dem wandernden Volk Gottes, das zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Gottesdienst auf die Anhöhe Schäferkoppel aufgebrochen ist. Dorthin, wo ein hundert Jahre alter Kastanienbaum sein schattenspendendes Kronendach ausbreitet. Und wo nicht zuletzt die Gemarkungsgrenzen von Frankfurt und Karben aufeinanderstoßen und der Blick von der Skyline Frankfurts bis zu den Taunushöhen und in die Weite der Wetterau schweifen kann. Doch um diese grenzüberschreitende Erfahrung machen zu können und dem Himmel näher zu kommen, muss man erst einmal hinauf auf den Schäferköppel.
„Wir sind eine Gemeinschaft und wandern zusammen“, sagt Carolin Schemmerling (43) und schiebt ihr Fahrrad bergan. Ein kleiner Trupp von sechs Kloppenheimer Gemeindemitgliedern hat sich zusammengefunden, um den Weg von Kloppenheim aus zu Fuß zu machen, über kiesbestreute Wirtschaftswege immer sacht bergan. Der älteste Teilnehmer ist Siegfried Benkmann (82), kein „guter Kirchgänger“, wie er schmunzelnd von sich selber sagt, aber ein rüstiger, der bei diesem Gottesdienst im Grünen nicht fehlen wollte. Pfarrer Neugber ist mit von der Partie, er betreut seelsorgerisch die Gemeinde. Der Kloppenheimer Gemeindeausschuss war es auch, der vorgeschlagen hatte, den Sommergottesdienst auf der Schäferköppel zu halten, so wie schon einmal vor zwei Jahren. Die konkrete Organisation hat dann die Petterweiler Gemeinde übernommen.
Zeitgleich um zehn Uhr sind in Petterweil und Kloppenheim die „Fußgänger“ aufgebrochen. Nach einer halben Stunde gemächlichen Gehens erreichen die Kloppenheimer Kirchgänger die Aussiedlerhöfe am Geleitsweg. In greifbarer Nähe sind die Windräder gerückt, ein frischer Wind kühlt die Wangen und das Ziel Schäferköppel ist nahe. Schon von weitem leuchtet die Kirchenfahne, die zwischen den beiden kleinen Kastanien aufgehängt ist. Bänke sind aufgestellt, ein schlichter Altar geschmückt mit Feldblumen steht im Schatten der mächtigen alten Kastanie. Die Petterweiler sind schon angekommen und füllen die Bänke. Wer den Weg nicht zu Fuß bewältigen konnte, hat sich eine Fahrgemeinschaft gesucht und wird mit dem Auto hinaufgefahren. Während der Petterweiler Posaunenchor schon das erste Lied anstimmt, werden noch schnell zusätzliche Bänke aufgestellt. Immer noch kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad Menschen an, die sich einen Platz suchen, bis etwa neunzig Kirchgänger die Bänke füllen.
Pfarrer Neugber spricht in seiner Predigt von einem „Ort des Verweilens“ , an dem Geist und Seele zu Ruhe kommen könnten. In seiner Predigt nimmt er sich des Themas „Grenzüberschreitung“ an. Das liegt nahe, weil es der Ort vorgibt, aber auch die aktuelle gesellschaftspolitische Diskussion. So habe etwa die dreifache Katastrophe im japanischen Fukushima und die davon angestoßene Frage nach der Legitimierung von Atomkraftwerken gezeigt, dass es durchaus Grenzen gebe, die nicht überschritten werden könnten.