Bad Vilbel. Nein – es war von Anfang an klar, dass es wohl kein gutes Ende nehmen würde, als der emotional aufgewühlte Kronprinz Don Karlos (gespielt von Sebastian Gerasch) in roter Lederhose und rotem Rüschenhemd auf die Bühne stürzte. Er offenbarte den Konflikt zwischen der Kälte und den Zwängen am Hof, seinem Freiheitsstreben und der Liebe zu seiner jungen Stiefmutter Elisabeth, verkörpert durch Alexandra Finder.
Während der Premiere von Don Karlos bei den Burgfestspielen folgten die Zuschauer gebannt der Schillerschen Tragödie um Macht, Intrige, Leidenschaft und Einsamkeit.
Das Stück spielt im 16. Jahrhundert in der Blüte der spanischen Inquisition. Das reduzierte Bühnenbild und die dunklen Gestalten, ganz in schwarzem Ledermantel und mit Sonnenbrille, vermitteln den Charakter einer Militärdiktatur mit ihrem Geheimdienst. Die allzeit präsente Überwachungssituation, die situativ unbehaglich bis aufrüttelnde Musik verdeutlicht die beklemmende Situation. Hier wirkt die Sprache Schillers besonders eindringlich.
Durch die Unterstützung seines Freundes Posa (Clemens Giebel) offenbart sich Karlos der tugendhaft Angebeteten. Doch diese Liebe bleibt unerfüllt. Im nun veränderten Bühnenbild von bisher hoffnungsvoll heiterer Stimmung mit leicht wehenden weißen Tüchern hin zu schwarz roten Säulengängen, nimmt das Drama seinen Lauf. Auch der Titelheld tritt jetzt in schwarzer Lederkleidung auf. Das ohnehin gespannte und konfliktbeladene Verhältnis zum Vater Phillipp II, dem König von Spanien, eindrucksvoll gespielt von Volker Niederfahrenhorst, zerbricht vollkommen. In dieser Welt von unerfüllter Liebe, von Intrigen, Macht und politischem Kalkül, scheitert auch Freund Posa, als er versucht, freiheitlichen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen und sich dabei in die höfischen Machtstrukturen verstrickt. Am Ende siegt die alte Staatsgewalt mit dem Großinquisitor (Volker Bauer), doch der Preis ist hoch: Die zukunftverkörpernde junge Generation ist tot.
Vor dem Hintergrund des reduzierten Bühnenbildes wird die hohe schauspielerische Leistung des Ensembles besonders hervorgehoben. Sebastian Gerasch als Titelheld spielt brillant, intensiv, leidenschaftlich und impulsiv. Alexandra Finder überzeugt ausdrucksstark als junge Königin Elisabeth. In der Inszenierung ist der Spagat, „alte Themen“ in die moderne Zeit zu transportieren, sehr gut gelungen.
Dabei stellt sich die Frage: Ist es auch heute noch manchmal so? Die Mächtigen sind umgeben von Opportunisten und verraten ihre Ziele, nur um an der Macht zu bleiben. Wo bleibt da noch Raum für Liebe und Freiheit? Was ist mit den Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen? Können sie harmonisch sein? Die Themen sind zeitlos. Die Inszenierung rüttelt auf, regt zum Nachdenken an und transportiert die Botschaften mit wenigen stilistischen Elementen und einer klaren Sprache.
Trotz eines kurzen Regenschauers folgten die Zuschauer hochkonzentriert und gebannt dem Niedergang in der Königsfamilie und belohnten die hervorragende Inszenierung und Darstellung mit anhaltendem Applaus.