Bad Vilbel. Teils mit bloßen Händen räumten Feuerwehrleute den Schutt weg, unternahmen alles ihnen Mögliche, im Bewusstsein dass sie dafür ihr Leben opfern. Viele überlebten das Unglück nicht. Tausende wurden in den Wochen, Monaten und Jahren danach zum Opfer der hohen Strahlenbelastung. Rund 600 000 so genannte Katastrophenhelfer waren im Einsatz, um die Folgen der bis dahin größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der Menschheit einigermaßen einzudämmen.
Die Bilder von damals haben angesichts der Katastrophe von Fukushima in den vergangenen Wochen wieder eine erschütternde Aktualität erhalten. Die Hilflosigkeit angesichts des Ausmaßes der Katastrophe, das Versagen der vermeintlich sicheren Technologie und die verzweifelten Bemühungen, die aus dem Ruder gelaufenen Reaktoren wieder in den Griff zu bekommen, lassen Erinnerungen wach werden, die viele von uns längst verdrängt hatten. Für junge Menschen war Tschernobyl noch vor wenigen Wochen allenfalls ein historisches Ereignis. Leider entspricht dieses Bild von Tschernobyl als einer scheinbar „erledigten Katastrophe“ aber keineswegs der Realität.
Wir, die Feuerwehr Bad Vilbel, haben damals unter meiner Leitung – ich war damals Stadtbrandinspektor – unverzüglich jährlich, und zwar elf Jahre lang, jeweils 50 Kinder aus der Tschernobylregion hierher nach Bad Vilbel geholt und diese in Familien in Bad Vilbel und deren Nachbargemeinden für 3 Wochen untergebracht. Die Kinder wurden von den Familien jeweils liebevoll betreut. Zudem wurden gemeinsam mit unseren Stadtteilfeuerwehren (Massenheim, Dortelweil, Gronau, Kernstadt und Heilsberg) und mit benachbarten Feuerwehren (Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main Feuer- und Rettungswachen 5, 6 und 1 und Freiwilligen Feuerwehr Frankfurt am Main Sachsenhausen, Oberrad, Nied und FF Höchst) und der Feuerwehr Hanau schöne Programme für die Kinder organisiert. Durch die sehr gute Unterstützung aller Bad Vilbeler Presseorgane erreichten uns viele Spenden. Damit haben wir schöne Ausflüge an den Rhein inklusive Dampferfahrten organisieren können. Auch konnten wir damit den Besuch des Opelzoos finanzieren. Mit den Sachspenden der Firma Hassia, der Metzgerei Dürr, der Bäckerei Hess, der Bäckerei Schneider konnten wir den Kindern so manchen schönen Grillabend bereiten. Die Stadtverwaltung von Büdingen übernahm die Kosten für den Eintritt der Schlossbesichtigung, des Besuches einer Märchenparadies-Spielanlage und einer Mittagsmahlzeit.
Die Lufthansa hat im Jahre 1992 den Transport von 50 Kindern von Kiew nach Frankfurt am Main und wieder zurück mit einem Flugzeug kostenlos durchgeführt. Die Verantwortlichen aller Bad Vilbeler Presseorgane waren gemeinsam mit Gerhard Stengel nach Kiew geflogen und haben die Kinder dort abgeholt und diese nach Bad Vilbel begleitet. Der Heilsberger Lufthansa-Pilotenausbilder, Herr Olthof, hat das Flugzeug damals geflogen und er ist dafür eingetreten, dass die Kosten von der Lufthansa übernommen wurden. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau unterstützt uns seit vielen Jahre bei der Finanzierung der Transportkosten für Hilfstransporte und der Kindertransporte. Die Stadt Bad Vilbel stellte uns den Stützpunkt und die Mannschaftstransportfahrzeuge zum Transport der 50 Kinder jeweils kostenlos zu Verfügung. Die Fa. Mercedes stellte uns jeweils kostenlos einen großen Bus zum Transport der Kinder aus Tschernobyl zur Verfügung.
Bei allen Familien, Firmen, Organisationen, Einrichtungen und Unterstützern bedanke ich mich für die großartige Hilfe. Wir konnten damals ein Modell schaffen, welches viele Organisationen in Gemeinden und Städten in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien übernommen haben. Dadurch konnten sich viele Tausende Kinder von diesen Strahlenbelastungen etwas erholen. Noch heute bestehen freundschaftliche Verbindungen zu den Verantwortlichen in Kiew, und Familien besuchen sich noch immer. Auch ist inzwischen (damals ein Kind, heute eine junge hübsche Frau) in Hanau eine Ehe geschlossen worden.
Gerhard Stengel ist Ehrenstadtbrandinspektor der Stadt Bad Vilbel und seit Jahrzehnten hat er sich unschätzbare Verdienste um die Hilfe für Menschen in Osteuropa erworben.