Nidderau. Erstmals konnten die Besucher der Nidderauer Buchmesse sich auf die Spuren von Windecker Literaten begeben. Die gebürtige Windeckerin und Germanistin Astrid Hohlbein lud zum literarischen Spaziergang durch die Altstadt-Gässchen.
„Wir möchten Literatur sinnlich erfahrbar machen“, erklärte sie das Anliegen des Vereins Literaturbetriebe, dem sie seit 2006 angehört. Regelmäßig bieten sie und die weiteren 25 Mitglieder Rundgänge in Hanau und Frankfurt an. „Der Bürgermeister bat mich, für die Buchmesse etwas vorzubereiten“, erzählte sie. „In Windecken? Dachte ich erst“, gesteht sie und lacht. „Dann habe ich so viel gefunden, dass eine Stunde mir zu wenig erschien.“
Umso gespannter waren dann ihre rund 20 Zuhörer. In vier Stationen berichtete Hohlbein zunächst an der evangelischen Stiftskirche über das Werk „Bauernanatomie“ aus dem Jahr 1674 des Theologen Aegidius Henning. Satirisch wirft dieser einen Blick auf die Bauern in seiner Wahlheimat Eichen. Aus der Vorrede zitiert sie die bösartige Abrechnung des Gelehrten. In der Windecker Stiftskirche heiratete der Autor 1756.
Weiter ging die literarische Reise hoch zum Hexenturm des Windecker Schlosses. Aus „Hexenkanne“ bekamen die Spaziergänger die schauerliche Geschichte über eine Frau zu hören, die im Jahr 1593 vor das Sterbegericht musste. Der Heimatverein gab 1910 das kleine Büchlein heraus, in dem zudem die Geschichte steht, die dem Werk den Namen gab: Eine wackere Lindheimerin, als Hexe verurteilt, schlug den für sie bestimmten Gifttrank in einer Kanne von sich und heiratete schließlich den Windecker Amtmann. „Am 16. Mai 1682 war die letzte Hexenverbrennung in Windecken“, schloß Hohlbein und wendete sich den zeitgenössischen Literaten Windeckens zu.
Aus dem Buch „Der Enkel des Holländers“ zitierte sie die 1968 geborenen Sandra Vollbrecht. Gemeinsam mit Tobias A. Böker schrieb sie den historischen Roman, in dem es ebenfalls um Hexenverfolgung geht; jedoch mit Gegenwartsbezug.
Aktueller denn je ist auch eines der Werke des 1858 in Windecken geborenen Lassa Francis Lawrence Oppenheim. 1911 verfasste der Völkerrechtler „Die Zukunft des Völkerrechts“. „Dieses Werk ist richtungsweisend und noch heute auf eine faszinierende Weise aktuell“, schwärmte Hohlbein und zitierte seine Ansichten über die Organisation internationaler Staatengemeinschaften. Die Führung endete schließlich vor der Stadtbücherei, in der sich die Lesung aus Hennings „Bauernanatomie“ fortsetzte