Nidderau. Erst vor sechs Wochen kam er wieder in Nidderau an, aus Ungarn. Das Unterwegssein steht ihm nun erneut bevor. Die fünfte Weltreise von Randolph Westphal setzte viele schnelle Erledigungen vor dem Start voraus.
Das Fahrrad, mit dem er die Reise antritt, wurde erst am Samstag geliefert. Er muss vorausschauend packen, denn wie lange er und seine beiden Hunde Chinook und Nanook unterwegs sind, weiß er selbst nicht. Und er hat den Gang zum Zahnarzt nicht gescheut. „Die Zähne müssen in Ordnung sein, das ist wichtig“, sagt der Mann, der weitaus größere Gesundheitsprobleme hat. Westphal leidet seit 1987 an Schwarzem Hautkrebs. Bis heute blickt er auf 27 Krebsoperationen zurück. Nach der ersten Diagnose im November 1987 in der Universitätsklinik Frankfurt, räumte man dem damals 29-Jährigen eine verbleibende Lebenszeit von sechs bis zwölf Monaten ein.
Als die Tränen getrocknet waren, entschloss er sich, seiner Krankheit mit positivem Stress zu begegnen. 1989 startete er seine erste Radtour. In sieben Wochen fuhr er 3500 Kilometer, überquerte zwölf Alpenpässe mit mehr als 2000 Höhenmetern. Im November 1989 verkaufte er seine Besitztümer. Westphal lebte zu diesem Zeitpunkt im Nidderauer Stadtteil Ostheim. Im Januar 1990 reiste er in die USA und nach Kanada. Im kanadischen Quebec unterzog er sich erneut einer Krebsoperation. Ein leitender Chefarzt überredete ihn, dass er den Krebspatienten der Klinik, in der er behandelt wurde, seine Lebensgeschichte erzählte. Westphal redete zum ersten Mal in seinem Leben vor einer großen Zuhörermenge. 25 Krebspatienten hörten ihm zu, Ärzte, Pflegepersonal und die Medien. Er erzählte den Menschen, dass kein Arzt der Welt heilen, sondern nur therapieren und operieren könne. Heilen müsse sich jeder selbst. Heilen beginne im Kopf.
Seitdem ist der 53-Jährige unterwegs, um die Menschen zu sensibilisieren. 179 986 Kilometer fuhr er bisher mit dem Rad. 7000 Zeitungsartikel existieren über Westphal. Jenen Mann, der dem Tod schon öfter begegnet ist. So überlebte er 1996 einen schweren Unfall in Argentinien. Ein Lkw-Fahrer hatte ihn überfahren, ließ ihn leblos im Straßengraben liegen.
Westphal überlebte mit schweren Bein- und Kopfverletzungen. Er saß ein Jahr im Rollstuhl, konnte nicht mehr sprechen, hatte massive Erinnerungslücken und Sehstörungen. Doch er schaffte den fast unmöglichen Weg aus dem Rollstuhl zurück in das Leben.
Sechs Jahre später radelte er 153 Tage bei Temperaturen bis zu minus 51 Grad durch den kanadischen Winter. Die Schlittenhunde retteten ihm mit ihrer Körperwärme das Leben. Wohin ihn nun seine fünfte Weltreise führt, weiß er nicht. Zunächst fährt er von Nidderau über Mainz, Saarbrücken, Nancy und Grenoble nach Toulouse, von dort über die Pyrenäen nach Bilbao. Dort hofft Westphal auf eine Passage mit einem Containerschiff. Der Weg zu den Krebskliniken der Welt ist ihm wichtig. Dort erzählt er seine Geschichten.