Karben. Tagsüber verteilten die Karbener Genossen ihre Plakatständer mit ihren Wahlaussagen über das ganze Stadtgebiet. „Wobei nicht die Anzahl der Plakate entscheidend ist, sondern nur deren Inhalt“, machte die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Christel Zobeley zu Beginn der Wahlkampfauftaktveranstaltung in der Ratsschänke deutlich. Wie wichtig ihr und ihrem Parteivorstand der bevorstehende Wahlkampf ist, zeigte auch die Tatsache, dass sie für den Auftakt den hessischen SPD-Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel gewinnen konnten. Der hatte am Sonntagabend bereits eine Reihe von Wahlkampfveranstaltungen in der Wetterau hinter sich und war deshalb bestens aufgelegt. So machte er zu Beginn seiner gut halbstündigen Rede vor den etwa 60 Karbener Parteifreunden klar, dass die SPD in zwei Jahren 150 Jahre alt wird und deshalb keine Belehrung über Demokratieverständnis von anderen Parteien brauche. Die SPD habe in ihrer langen Vergangenheit oftmals gezeigt, dass sie nicht nur Impulse setzen, sondern in vielen gesellschaftlichen Dingen entscheidend mitgestalten könne. Schäfer-Gümbel verwies in diesem Zusammenhang auf die Altbundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt in den 70er und 80er Jahren. Beide hätten für Reformpolitik gestanden und für eine Aufbruchstimmung in der Bevölkerung gesorgt. Als die SPD nach langen Jahren in der Opposition Ende der 90er Jahre die Regierungsgeschäfte dann wieder übernahm, konnte diese Aufbruchstimmung jedoch nicht mehr entfacht werden. Seiner Meinung nach lag das an der zwischenzeitlich eingetretenen Globalisierung, an der veränderten Arbeitswelt und an einem Vertrauensverlust in die Politik. „Die Bürger hatten zu diesem Zeitpunkt einfach kein Zutrauen mehr in die Politik“, erklärte der SPD-Landesvorsitzende.
Gegenwärtig würden 40 Prozent der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich, auf 400-Euro-Basis oder in schlechtbezahlten Arbeitsverhältnis ihren Lebensunterhalt verdienen und bräuchten deshalb zusätzliche Hilfe vom Staat. Dazu käme, dass die Hälfte der unter 35-Jährigen noch nie eine feste Anstellung hatte. „Wie sollen solche Menschen eine Familie gründen, wenn sie sie nicht einmal dauerhaft ernähren könnten“, stellte Schäfer-Gümbel die rhetorische Frage, die er dann gleich selbst beantwortete: „Wir brauchen deshalb Ruhe und Ordnung im Arbeitsmarkt und gerechten Lohn für alle“.
Dazu gehöre allerdings auch, dass die Finanzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besser aufgeteilt würden, so der Hessenchef. Dann würden die Kommunen wieder handlungsfähiger und müssten sich wegen den vom Staat zugewiesenen Aufgaben nicht immer weiter verschulden. Auf die Dauer könne in der ansteigenden Verschuldung jedenfalls nicht die Lösung liegen.
Zum Ende seiner Rede rief Schäfer-Gümbel die Menschen dann noch auf, mehr Demokratie zu wagen. Sie sollten sich in die Politik einmischen und so Verantwortung übernehmen. Das sei Solidarität, wie er sie verstehe und wie auch Brandt und Schmidt sie verstanden hätten.