Bad Vilbel. Angesichts der heftig diskutierten Ansiedlung des Möbelhauses Segmüller in Bad Vilbel hätte man eigentlich mehr Publikum erwarten dürfen: Zu dem Vortrag „Vormarsch der Grünen Wiese oder die Renaissance der lokalen Märkte? – Wie sich stationäre Händler, Handwerker und Dienstleister gegen den sozioökonomischen Wandel im ländlichen Raum rüsten“ waren aber nur rund 50 Zuhörer ins Berufsförderungswerk gekommen, wobei selbst Quellenstädter und Karbener zusammengenommen in der Minderheit waren. Die Kommunalpolitik war lediglich mit Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) und Thomas Görlich, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Karbener Stadtparlament, vertreten. Eingeladen hatte die Qualitätsoffensive Wetterau in Kooperation mit dem Gewerbeverein Karben und dem Gewerbering Bad Vilbel.
Von den Segmüller-Plänen war dann auch nur einmal die Rede als Wilhelm Trabandt aus Karben gegen Ende der Diskussion die Frage stellt, mit welchen Argumenten man denn den Bürgermeister Stöhr davon überzeugen könnte, dass diese Ansiedlung nicht gebraucht werde. Da hatte Referent Andreas Haberlein vom Zukunftsinstitut in Kelkheim aber bereits ausführlich erläutert, dass es für alle Einzelhändler, Handwerker und Dienstleister darauf ankomme, das eigene Profil ihrer Angebote und Präsentationen den Kunden gegenüber herauszustellen, dabei neue Trends ebenso zu berücksichtigen wie bei der Vermarktung verstärkt die Neuen Medien zu nutzen.
Haberlein stellte auch eingangs gleich klar, dass es ihm nicht um eine Antwort auf die in der Hauptüberschrift seines Vortrags gestellten Frage nach dem Vormarsch der Grünen Wiese gehe, sondern um das im Untertitel genannte Thema. Wie also der stationäre Einzelhandel – dabei seien immer auch das örtlich ansässige Handwerk und die Dienstleister – auf den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse reagieren sollte, um erfolgreich zu bestehen. „Der Handel war schon immer kreativ und innovativ“ und habe sich stets auf sich ändernde Verhältnisse eingestellt, sieht Haberlein die Zukunft optimistisch. Mehr als zwei Drittel aller Kaufentscheidungen werde am „Point of Sale“, also in den Geschäften direkt gefällt. Allerdings sei es notwendig, dass mehr in Medienkompetenz investiert werde, um mit den Ansprüchen der Kunden Schritt zu halten. Die Kunden seien aufgrund ihres Internetwissens viel besser informiert beim Einkaufen als früher. Die Beratung der Geschäftsinhaber und der Belegschaften müsse da mithalten können. Deshalb sei der eigene Internetauftritt auch „viel mehr als nur eine gute Visitenkarte“. Auch seien generell Online-Handel und der Verkauf im Geschäft nicht als Gegensatz sondern als gegenseitige Ergänzungen zu sehen.
Wer sich lediglich über den Preis behaupten wolle, könne nur verlieren. Wichtiger als Preisgestaltung und auch die örtliche Geschäftslage sei die Rückbesinnung auf die ureigensten Wurzeln des Handels: Beratung, Individualität, Erreichbarkeit, Treffpunktcharakter und kaufmännische Verführungskunst. Als Beispiel führte er einen Elektrohändler an, bei dem sich die Kunden im Laden selbst über einen offenen Internetzugang Preisvergleiche recherchieren können. Allerdings stehen dann Mitarbeiter bereit, um zu erläutern, warum ein günstigerer Preis andernorts nicht insgesamt günstiger sein muss, als die Vorteile für die Kunden.
„Die neue Rolle des Händlers ist es, Produzent von Lebensgefühlen, Moderator von Kundenbedürfnissen, Agent der Kunden, Künstler der Kommunikation und geschickter Logistiker zu sein“, fasst Matthias Horx die Trends zusammen. Horx ist Inhaber des Zukunftsinstituts, an dem Referent Haberlein als Experte für Neue Medien, Handelsmarketing und soziokultureller Wandel beschäftigt ist. Haberlein verdeutlichte dieses allgemeine Fazit mit einer Reihe von Einzelbeispielen, die er in seiner Studie „sales design – Vom Point-of-Sale zum Point-of-Interest“ ausführlich darstellte.