Bad Vilbel. Aus der Not eine Tugend machte die FDP, als beim Heringsessen am Aschermittwoch ihr Referent Thomas M. Reimann von der Firma K. L. Schmidt seine Teilnahme wegen einer plötzlichen Erkrankung absagen musste. Die Liberalen ließen einfach ihre 30 Besucher im Kurhaus zu aktuellen kommunalpolitischen Themen zu Wort kommen. Drei Repräsentanten der Firma Lahmeyer Rhein-Main, die mit Reimann über ein gemeinsames Projekt in Russland berichten wollten, nutzten die Gelegenheit, um Auskunft über die internationalen und regionalen Aktivitäten des Konzerns zu geben.
Der Abschied der Stada von ihren Hochregallager-Plänen in Dortelweil brannte einigen Gästen am meisten unter den Nägeln. Nachdem das Pharma-Unternehmen „an seine zeitlichen Grenzen gestoßen“ sei und nun Ausschau nach einem Standort außerhalb Bad Vilbels halte, „lecken sich die umliegenden Städte die Finger“, so Fraktionsvorsitzende Heike Freund-Hahn. Denn wenn dem Lager auch die Verwaltung folge, könnten sie gute Gewerbesteuereinnahmen mit allen Vorteilen für die Bürger erwarten. Bad Vilbel erleide hingegen nicht nur einen erheblichen finanziellen und Image-Verlust, sondern sitze auf einem „verbrannten Grundstück, das kein Gewerbebetrieb mehr nehmen wird“.
Dennoch sei es „unklug“ von Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) gewesen, von sich aus dort ein Wohngebiet ins Gespräch zu bringen. „Es müsste mit Lärmschutz eingemauert werden und passt nicht in die Dienstleistungsmeile, die im Anschluss daran durch Dortelweil folgt“, meinte Raimo Biere. Die Äußerung sei nur damit zu erklären, dass „die CDU noch unter dem Schock erstarrt ist“.
Der Massenheimer vermutet, dass der Stada in Friedberg ebenfalls kein Erfolg beschieden sein werde. Wenn die Stada ein zweites Mal scheitere, werde das Lager im Ausland gebaut, prognostizierte er – „was allerdings gut für Bad Vilbel wäre, weil dann die Verwaltung wahrscheinlich hier bliebe“. Unverständlich und traurig fand es Ingrid Baguß aus Karben, dass ein paar Leute und eingeschaltete Behörden „einfach den erfolgreichen Aufschwung einer Riesenfirma stoppen“ können. „Wir bringen in Deutschland nichts mehr zustande. Das ist eine Schande“, bemerkte sie und erntete stürmischen Beifall. Positives konnte Freund-Hahn über die Neue Mitte berichten: „Das ist richtig am Laufen, da geht was vorwärts.“ Klaus Peter Kubitza erinnerte daran, dass es „der FDP und den anderen Oppositionsparteien zu verdanken ist, wenn die Stadt nun versucht, mehr Grundstücke zu erwerben, um den zuvor geplanten trichterförmigen Platz aufzuweiten“. Genaue Pläne der Stadt seien der FDP bislang nicht bekannt, so die Fraktionschefin. „Doch nachdem wichtige Grundstücke bereits im Eigentum der Stadt sind und fest steht, dass die Fachwerkhäuser an der Frankfurter Straße erhalten bleiben, hoffen wir, bald einen ersten Entwurf zu sehen.“
Parteichefin Annette Jost kritisierte, es fehle ein Plan über Ansiedlungsmöglichkeiten, die das veränderte Kaufverhalten der Bürger und deren zunehmende Hinwendung zum Internet-Shopping berücksichtigten. „Können ein oder zwei Frequenzbringer die Einkaufsmeile retten?“, fragte sie und überlegte, ob „eine Event-Erlebnis-Gastro-Meile“ nicht besser geeignet wäre, die Innenstadt zu beleben. „Es fehlt an Möglichkeiten, sich an der Planung zu beteiligen und mit Ideen neue Impulse zu geben“, bedauerte sie. Auch Freund-Hahn befürchtet, dass „die Stadt nur im eigenen Saft schmort“ und dem Parlament einen „Plan vor die Nase setzt“, der frei von neuen Ideen ist.