Bad Vilbel. Vom Bauerndorf zur Kurstadt – Vilbel verdankt diesen Aufstieg seinem kostbaren Wasser. Einigen bescherte es Reichtum. Zu den Profiteuren der Belle Epoque (1890 – 1915), in der das Bürgertum zu Wohlstand kam, gehörte in Vilbel der Sprudelbesitzer Carl Brod. Seine Gattin Cäcilie führte 24 Vilbeler zu den Anfängen der Quellenindustrie. Als Cäcilie Brod agierte Sylvia Reich bei der Stadtführung „Die noble Gesellschaft“. Im schicken schwarzen Kleid weihte sie die Teilnehmer ein: „Vilbel ist um 1900 ein Arbeiter- und Bauerndorf mit 5855 Einwohnern. Es gab viele Bauernhöfe, Essig-, Wein-, Likör- und Tabakfabriken sowie viele Gaststätten.“ Die blühten seit dem Mittelalter im Verkehrsknotenpunkt Vilbel. Hier wechselten Kutscher die Pferde und machten mit ihren Fahrgästen Station, bevor es den steilen Schöllberg hoch weiter nach Frankfurt ging. Das Sterben der Gasthöfe setzte 1850 mit dem Bau der Main-Weser-Bahn ein. Zum Flanieren im schicken schwarzen Schleppenkleid mit Handschuhen, Fächer und Hütchen eignete sich die Frankfurter Straße damals nicht. Wie es dort aussah, kann man einem Leserbrief im „Vilbeler Anzeiger“ von 1902 entnehmen. Dort beschwerten sich Menschen über frei laufende Gänse, zu schnelle Kutschen, Peitschenknallen und stinkende Düngerwagen der Bauern.
Doch Cäcilie Brod ließ sich das Promenieren nicht verdrießen. Durch ihren Müssiggang demonstrierte sie wie auch durch die breite Straßenfront ihres seit 1858 bewohntem Hauses „Am Marktplatz 11“ ihren Reichtum. Um 1900 habe man gezeigt, „wer man war und was man hatte“, sagte Reich. Brods Schleppe konnte ruhig verschmutzen. Das signalisierte: „Ich kann es mir leisten, denn ich habe mehrere Kleider.“ Was nicht selbstverständlich war, wie die Stadtführerin betonte. Die Kleidung ihres Mannes war wie die aller Herren weitaus schlichter. „Vatermörder“ gehörten zum modischen Erscheinungsbild. Zur noblen Gesellschaft gehörten Ärzte, Apotheker und Quellenbesitzer.
Im Brod’schen Hugenottenhaus wohnen heute Traute und Erfried Wagner. Sie öffneten ihren Hof für die Stadtführung. Im Hof bohrte Carl Brod von 1897 bis 1900 einen Brunnen, traf in 74 Metern Tiefe auf eine Quelle. Pro Minute sprudelten 532 Liter.Bereits ein Jahr später gab es im Anwesen, das zum Hotel ausgebaut wurde, die ersten 200 Badekuren. Fresenius und der Arzt Tabernamontanus stuften Brods Wasser als Heilquelle ein.
Der nach der Darmstädter Großherzogin Victoria Melitta benannte Brunnen wurde später in „Brod’scher Sprudel“ umbenannt, berichtete Reich, da die Großherzogin mit ihrem russischen Cousin Kyril durchgebrannt und für die „noble Gesellschaft“ nicht mehr akzeptabel war. Die Frankfurter lästerten schon bald: „Nach Vilbel – zu Wasser und Brod“. Dank des Geldsegens wurde 1902 in Vilbel eine zentrale Wasserversorgung gelegt. Ab dem Jahr 1912 gab es dann Gas und elektrischen Strom.
Vom historischen Vilbeler Ziehbrunnen mit den Wasserbuben, die das kostbare Nass in Steinkrügen bis nach Vilbel trugen, ging es ins Brunnen- und Bädermuseum, wo eine der sieben Brod’schen Badezellen aus dem Jahr 1905 besichtigt wurde.
Nächste Station war die Skulptur von Friedrich Grosholz, der zu den Gründervätern der Quellenstadt zählt, am Marktplatz. Grosholz kam als Geometer nach Vilbel, eröffnete 1861 eine Nudelfabrik, die er in eine Abfüllhalle für Mineralwasser umwandelte. Er gehörte mit Brod zu den besten Steuerzahlern der Stadt.
Im Jahr 1902 kaufte Brod, der mit seinem Bäderbetrieb auf dem Heilsberg expandierte, die zwei Mal zerstörte Vilbeler Burg mit 12 500 Quadratmetern Land. Brod wollte das Gemäuer abreißen, um eine Badeanlage im Jugendstil zu errichten. Der Erste Weltkrieg verhinderte dies. Gutes Geld verdiente er auch durch einen 1914 mit dem Frankfurter Kohlensäurewerk abgeschlossenen Vertrag. Dafür erhielt er pro Jahr 8000 Mark.