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Fahrradfahren – Wort zum Sonntag

Vor einiger Zeit habe ich zugeschaut, wie ein Vater mit seiner Tochter Fahrradfahren übte. Es war lustig anzusehen, wie sie wild drauflos strampelte und der Vater gebückt hinterherlief und sie am Gepäckträger festhielt. Nach einer Weile wurde das Mädchen sicherer und der Vater kurzatmig. Er musste loslassen und die Tochter fuhr alleine. Da hatte sie es gelernt. Sie ist ein paar Mal gefallen, aber immer seltener und nie so, dass sie nicht danach wieder losgefahren wäre. Ich glaube, sie hätte viel früher alleine Fahrradfahren können, wenn der Vater sich getraut hätte, früher loszulassen und ihr mehr zugetraut hätte. Aber es ist für Eltern ja auch schwer loszulassen. Schließlich fallen die Kinder tatsächlich und manche verlieren dadurch wohlmöglich den Mut. Aber anders kann man Fahrradfahren wohl nicht lernen. Mit dem Schwimmen, dem Laufen und vielem anderen ist es ähnlich. Ich muss es üben, ich brauche Hilfe, aber dann muss es mir jemand auch zutrauen.

Ich glaube, Gott ergeht es mit uns nicht anders. Er vertraut uns und traut uns offenbar zu, dass wir selbständig unser Leben führen können und zwar im guten Sinne. Dabei machen wir oft genug Fehler und fügen uns, anderen oder der Umwelt Schaden zu.

In der Bibel wird Gott mehrfach mit einem Adler verglichen (2. Mose). Adler (und andere Vögel) bringen ihren Jungen das Fliegen bei, indem sie sie aus dem Nest stoßen, sobald sie flügge sind. Allerdings sind die Adlereltern auch nicht sorglos. Sie fliegen nämlich unter ihren Jungen her und fangen sie mit ihren Fittichen auf, sobald eines fällt. Was für ein schönes Bild für die Beziehung, die Gott zu uns hat. Er lässt uns die Freiheiten im Leben, die wir brauchen, traut uns viel zu und schenkt uns ebenso die Fürsorge, die wir auch brauchen. Für mich bedeutet dieses Bild, dass ich für mein Leben selbst verantwortlich bin, dass ich die Möglichkeiten und Chancen, die ich habe, auch nutzen soll und dass ich mich oft genug auch etwas trauen muss. Es bedeutet für mich aber ebenso, dass ich Gott immer um Rat fragen kann, dass ich mich hilfesuchend an ihn wenden kann, wenn ich Trost brauche oder verzweifelt bin.

Ihre Pfarrerin Ulrike Mey,

Ev. Christuskirche, Bad Vilbel