Karben. Am 31. März endete nach 13 Jahren die rot-grüne Regentschaft im Karbener Rathaus. Der Abschied kommt in Form eines Strauß’ Blumen von Stadtverordnetenvorsteherin Ingrid Lenz (CDU) daher. Das Ende von Rot-Grün in Karben zwischen Tagesordnungspunkt eins und zwei auf der jüngsten Sitzung des Stadtparlaments am Freitag.
Von den Genossen gibt es kein Wort zum Abschied ihres Bürgermeisters. „Roland Schulz möchte das nicht in der Öffentlichkeit“, sagt Fraktionschef Thomas Görlich, „und wir respektieren seinen Wunsch.“ Der FNP gegenüber möchte Schulz nicht über seine sechsjährige Amtszeit Bilanz ziehen. Dabei hatten ihn 54,3 Prozent der Wähler anno 2003 in den Chefsessel des Rathauses befördert. Einen Termin für eine Feier gebe es noch nicht, sagt Görlich.
Die Grünen seien auf den Gedanken einer Abschiedsfeier erst gar nicht gekommen, sagt Vorstandssprecher Mario Schäfer. Wie Roland Schulz möchte auch Gerd Rippen nicht mit der FNP über seine Amtszeit sprechen.
Dabei werden Schulz wie Rippen zum Ende ihrer Amtszeit noch einmal von den politischen Realitäten eingeholt. Dem grünen Stadtrat drohte in den letzten Monaten, in die Affäre um die Gronauer Erddeponie gezogen zu werden. Im Akteneinsichtsausschuss über Umweltamtsleiter Thomas Adam – dem vierten Akteneinsichtsausschuss der Ära Schulz – müsste er für mögliche Mauscheleien unter Genossen geradestehen. Doch Rippen hat gelernt. Die Arbeit des Ausschusses konnte er so lange herauszögern, bis er nun nicht mehr selbst Auskunft geben muss.
In zwei vorigen Akteneinsichtsausschüssen war Rippen noch im Kreuzfeuer der CDU/FWG/FDP-Koalition untergegangen. Chaos bei der Verwaltung der Bürgerhausgaststätten hatte der eine Ausschuss zutage gefördert, ein Bevorzugen von Investoren im Baugebiet in Petterweil der andere.
„Gerd Rippen ist nicht souverän mit den Angriffen umgegangen“, sagt Grünen-Chef Schäfer. Dadurch hätten die Sitzungen zu Tribunalen ausarten können. Dabei sei es bloß um „Dusseligkeit in der Verwaltung“ gegangen, und viele der Versäumnisse hätten in Zeiten vor Rippens Amtszeit gelegen. „Politisches Gespür fehlte ihm manchmal“, findet SPD-Frontmann Görlich.
Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit fallen derweil Schulz die Brocken seiner Finanzwirtschaft vor die Füße. Die Koalition verweigerte seinem Magistrat – sowie dem vorigen unter Bürgermeister Detlev Engel (SPD) – die Entlastung für die Jahre 2002 bis 2006. Die Rechnungsprüfung ergab, dass Engel offenbar vielfach die Kreditgrenze überschritten habe. Außerdem will die Koalition die Folgen der Misswirtschaft in der Gaststättenbetreuung sowie der umstrittenen Kreditverlängerungen von Roland Schulz noch per „Vollprüfung“ der Wetterauer Kommunalaufsicht unter die Lupe genommen wissen.
„Durch diese rechtswidrigen Handlungen sind der Stadt erhebliche finanzielle Schäden entstanden“, sagt FWG-Fraktionschef Michael Ottens. Das Gegenteil bezweckte Schulz, als er 2006 90 Prozent der Stadtkredite bis 2036 verlängerte – ohne Vergleichsangebote einzuholen und ganz im Geheimen.
Bis heute hätten sämtliche Kredite zu besseren Konditionen verlängert werden können, hätte man sie regulär auslaufen lassen, sagt Ottens. Wie hoch der Schaden ist, lässt sich erst 2014 bilanzieren, wenn der letzte der vorzeitig verlängerten Kredite regulär ausgelaufen wäre.
„Wenn Herr Ottens das besser wusste, warum hat er nichts gesagt?“, fragt SPD-Fraktionschef Görlich. Trotz der vielen Versuche habe die Koalition bis heute keinen Schaden nachweisen können. Die nun durchgesetzte Prüfung „kostet nur Geld, damit sich jemand selbst beweihräuchern kann“.
Roland Schulz’ Regierungsjahre seien „unter schwierigen Bedingungen erfolgreich“ gewesen, sagt Görlich. Immer wieder habe die FWG das politische Klima vergiftet, was bei Schulz ja sogar zu gesundheitlichen Probleme geführt habe. Die FWG aber sieht die rot-grünen Regierungsjahre als „völlig gescheitert an“, sagt Ottens. Durch die „fehlerbehaftete“ Amtsführung“ seien die sechs Dienstjahre von Schulz und Rippen „verlorene Jahre für die Stadt Karben“.
Im Parlament vergangenen Freitag fehlte Gerd Rippen. Er kehrt zusammen mit seiner Frau Ingeborg Karben den Rücken, zieht nach Göttingen. Er will wieder als Chemiker arbeiten und der Familie seiner Tochter samt der dort lebenden Enkelkinder nahe sein.
Roland Schulz wird ab Donnerstag Privatier sein. Einen neuen Job hat er nicht. In seinen alten im Stadtverordnetenbüro im Frankfurter Römer kann er nicht zurück, weil er mit dem Wechsel ins Karbener Rathaus vom Lebenszeit- zum Wahlbeamten wurde. „Ich werde beruflich eine Auszeit nehmen“, kündigt er an. Nicht nur an seinen Job als Bürgermeister macht Roland Schulz einen Haken. „Ich werde mich erstmal zurückziehen aus der Karbener Politik“, kündigt er an. Zu tief scheinen die Wunden, nachdem ihn seine Genossen völlig fallen gelassen haben. (den)