Bad Vilbel. Wenn man zum Beispiel den Begriff Vakuumbeschichtungstechnik hört, denken manche gleich an das Unwort des Jahres. Doch diese Technik ist auf vielen alltäglichen Gegenständen zu finden. Das demonstrierte der in Vilbel ansässige Unternehmer Dieter Wurczinger eindrucksvoll vor rund 60 Gästen im Dortelweiler Golfhotel. In der Vortragsreihe „Bad Vilbel weltweit aktiv“, die das Stadtmarketing ausrichtet, stellte der Geschäftsführer die Arbeit seines Unternehmens vor.
„Wir machen aus dünnen Schichten kleine Sachen“, erklärte Diplom-Ingenieur Wurczinger, der 2004 Bad Vilbel als Standort auswählte. In der Tat: Die Schichten, die er mit der Vakuumtechnik erzeugt, sind gerade mal 10 bis 100 Nanometer, also Milliardstelmeter, „dick“. Zum Vergleich: Ein Haar ist etwa 50 000 bis 100 000 Nanometer dick. Doch diese kleinen Schutz-schichten, die Wurczinger mit seinen 16 Mitarbeitern herstellt, sind weltweit gefragt.
Die meisten Kunden kommen aus Asien. Das bedauert der Geschäftsführer ein wenig: „Wir entwickeln in Deutschland vieles, produziert wird es dann im Ausland.“
„So muss er für Beschichtungen, die für die Herstellung von Flachbildschirmen genutzt werden, zu Produzenten nach Asien reisen; zumal er da dick im Geschäft ist: „In den Power-Supplies-Farbfiltern haben wir einen Marktanteil von 90 Prozent.“ Doch nicht nur für Fernseher, sondern auch in der Beschichtung von DVDs und CDs ist Sen Vac aktiv. Beispielhaft zeigte Dieter Wurczinger den Gästen die Platten, mit denen die Datenträger beschichtet werden. Doch Wurczingers Vakuumtechnik wird auch für ganz andere Produkte genutzt – zum Beispiel für die Entspiegelung von Brillen. Aber auch in der Öko-debatte mischt sein Unternehmen mit. „Bei Halogenlampen wird durch die Beschichtung 50 Prozent der Energie gespart, und dank Wärmedämmscheiben geht bei Fenstern nur noch ein Elftel der Energie verloren“, führte er aus.
Selbst in den Zündern von Airbags finden sich die Beschichtungen seiner Firma. „Ich wusste gar nicht, dass mich Sen Vac Tag und Nacht umgibt“, meinte Kurt Liebermeister, Vorsitzender des Stadtmarketings, der die Diskussion eröffnete, die Horst Samson, der Chefredakteur des „Bad Vilbeler Anzeigers“, pfiffig moderierte. Dabei löcherten die Gäste den Unternehmer mit allerhand Fragen. Wie er denn seine Kunden an Land ziehe? Wie er bestehen könne im weltweiten Wettbewerb? Als kleiner Unternehmer könne er nur durch ständige Innovation überleben, meint Wurczinger. Mit guten Ideen habe seine Firma auch schon Konkurrenten ausgestochen, die ihre Produktion komplett nach China verlegt hätten. „Dabei hat es mir sicher geholfen, dass ich in den 70er Jahren einige Zeit in der Forschung von Vakuumbeschichtung gearbeitet habe“, sagt er.
Er fühle sich am Standort Bad Vilbel sehr wohl, betonte er und brach auch eine Lanze für die deutsche Innovationskraft: „Die Deutschen sind gute Tüftler, sie haben mehr als 23 000 Patente angemeldet. Nur die USA haben mehr.“ Doch hierzulande werde manches zerredet und der Standort durch Bürokratie madig gemacht, so dass viele Produktionsstandorte verloren gingen, meint er. Beispielhaft nannte er seinen Clinch mit dem Finanzamt, das ihm Nachforderungen stellte, weil ein indonesischer Praktikant länger als 90 Tage in seiner Firma beschäftigt war. Nicht zuletzt deswegen hat ein amerikanisches Unternehmen 2008 seine Firma übernommen. „Wir wären sonst irgendwann ausgeblutet“, sagt er und bezeichnet dies auch als Zukunftssicherung für Bad Vilbel. Er habe hier schließlich keinen Nachfolger. Und das amerikanische Unternehmen, das in der Halbleiterindustrie stark sei, habe in seinem Nischengeschäftsfeld noch einen Partner gesucht.
Nächste Veranstaltung „Bad Vilbel weltweit aktiv“ am 24. Februar im Dottenfelderhof. Thema: Nachhaltige Landwirtschaft.