Bad Vilbel. „Wir haben 190 Aktive – diese Zahl hört sich gut an und ist seit 1995 stabil“, sagt Stadtbrandinspektor Matthias Meffert, als er von den Vilbeler Feuerwehrleuten berichtet. Doch im Ernstfall stünden ihm bei Einsätzen am Tag nur etwa 20 Mann zur Verfügung – und das in der ganzen Stadt. Bei größeren Unglücken stoße die Einsatzabteilung dann rasch an ihre Grenzen: „Schon bei einem Zimmerbrand werden 16 Helfer benötigt.“
Außerdem wachsen die Aufgaben ständig. Vor zehn Jahren hatten wir noch rund 280 Einsätze – jetzt sind es mindestens 100 mehr“, so Meffert. Die Stadt wachse, es gebe mehr Firmen und Wohngebiete, und die Aufgaben würden auch in Zukunft nicht weniger – etwa wenn die S-Bahn ausgebaut werde oder im Gewerbegebiet Quellenpark.
Oft müssten die freiwilligen Helfer ihren Arbeitsplatz fluchtartig verlassen – und das für Fehlalarme, die häufig durch Brandmelder in Betrieben ausgelöst werden. Allein darauf entfielen 70 bis 80 Einsätze jährlich.
Zwar stehe Bad Vilbel im Vergleich zu anderen Kommunen des Wetteraukreises gut da, doch auch dort machten sich die Probleme mit der Tageseinsatzstärke immer deutlicher bemerkbar, weiß Meffert. Die sei nicht nur abhängig von der Urlaubsplanung der Helfer, sondern immer stärker auch von sich verschärfenden Bedingungen im Berufsleben. Viele der Aktiven arbeiteten auswärts, könnten die Hilfsfrist nicht einhalten, wonach sie binnen zehn Minuten am Einsatzort sein müssten; andere studierten.
Viele Mitglieder der Wehr hätten Schwierigkeiten, ihre Arbeitsplätze zu verlassen. Dies, obwohl die Stadt für den Lohnausfall aufkomme. Bei einem kleinen Handwerksbetrieb mit zwei, drei Mann stehe beim Weggang eines Wehrmannes gleich der ganze Betrieb still, erläutert der Stadtbrandinspektor. Und wenn ein Feuerwehrmann morgens um 5.30 Uhr zur Arbeit müsse, und zuvor, um vier Uhr, ein Einsatz sei, „dann kommt der nicht mehr“.
Dies hat Folgen. „Wir haben oft Glück“, sagt Meffert: „Ich weiß nicht, wer zum Einsatz kommt“, räumt Meffert ein. So könne es passieren, dass sich zu einem Einsatz in Dortelweil zehn Mann meldeten, von denen viele gerade erst in die Feuerwehr eingetreten seien.
Von den Führungskräften werde „ein Höchstmaß an Flexibilität und Organisationstalent gefordert“, betont Brandschutzdezernent Jörg Frank. Erfahrung spiele eine ganz große Rolle. Hilfe von außerhalb sei nur begrenzt verfügbar. Bei Gefahrgutunfällen kämen Einheiten aus Büdingen oder Friedberg, aber auch Nachbarstädte hülfen aus. „Die Zusammenarbeit der Kommunen ist sehr gut“, so Frank.
Auch das Nachwuchsproblem lasse sich nicht einfach lösen. Immerhin seien in Bad Vilbel starke Jugendabteilungen entstanden, so Frank. Das sei ein Erfolg des dezentralen Brandschutz-Konzeptes, wonach es in jedem Stadtteil ein Gerätehaus „mit allem, was dazugehört“, gebe. Außerdem gebe es inzwischen in allen Stadtteilen Jugendfeuerwehren und auch Wehren für Kinder ab sechs Jahren in Massenheim und Gronau. Aber das löse nicht die aktuellen Probleme.
Vieles haben Stadt und Wehr schon ausprobiert: Werbung am Vilbus, Gespräche beim Tag der offenen Tür – aber die Resonanz sei dürftig. Auch das Modell der Feuerwehrrente sei problematisch. Das sei vor allem ein Anreiz für jene, die dabeibleiben wollten. „Aber wir wissen trotzdem nicht, ob sie auswärts arbeiten“, so Meffert. Rechtlich nicht haltbar sei es, Feuerwehrleute bei Neueinstellungen zu bevorzugen. Meist kämen Neue durch Mund-zu-Mund-Propaganda – vor allem bei den jungen Mitgliedern. Einige Nachwuchskräfte besuchten noch das Gymnasium.
Um kurzfristig etwas zu bewegen, hat sich die Stadt ein Modell ausgedacht, das es nach Franks Wissensstand so in Deutschland noch nirgends gibt: den „Feuerwehrtechnischen Angestellten“ bei der Stadt. Der wäre zu Teilen etwa beim Betriebshof beschäftigt und bei der Wehr. Ob und wie das funktionieren könnte, werde derzeit rechtlich geprüft.
Ob es andere Ideen gebe, um mehr Männer einsetzen zu können? Der Stadtbrandinspektor schüttelt spontan den Kopf. Und Frank sieht als Schreckgespenst die Verhältnisse in Bad Vilbels französischer Partnerstadt Moulins: „In dem Departement gibt es drei Feuerwehrkasernen. Da seh’ ich für Ehrenamt und Finanzen schwarz.“