Karben. Eine gute Nachricht in wirtschaftlich schweren Zeiten: Für den Standort Karben gibt Continental Automotive eine fünfjährige Standortgarantie ab. Die Beschäftigten nehmen dafür allerdings Personalabbau und Lohnverzicht in Kauf.
Udo Meides steht am Betriebstor und zündet sich eine Zigarette an. Ein Auto nach dem anderen fährt aus der Tiefgarage heraus und biegt auf die Dieselstraße ein. Eines hupt, der Betriebsratschef winkt hinüber. „Hoffentlich“, sagt Meides, „bekommen wir jetzt endlich hier Ruhe in den Betrieb.“
Diese Hoffnung schöpft Meides aus der Standortgarantie, die Conti und die Industriegewerkschaft (IG) Metall ausgehandelt haben. Die bekommen die Beschäftigten nicht ohne Weiteres, berichtet Michael Erhardt, Erster Bevollmächtigter der Frankfurter IG Metall: Bis zu 250 der gut 1200 Mitarbeiter müssen wohl während der fünf Jahre gehen. Auf betriebsbedingte Kündigungen aber verzichtet Conti. Verzichten müssen dafür die Beschäftigten: Je die Hälfte ihres Weihnachts- und Urlaubsgeldes opfern sie für die Standortgarantie.
Im Gegenzug will Conti in den Standort Karben investieren. Dort sollen neue Produkte der Hybridtechnik entwickelt werden. „Conti verpflichtet sich, das Werk mit Arbeit zu füllen“, erklärt Erhardt. Auf dieses Ergebnis sei die IG Metall „mächtig stolz“ – und auf das „Spitzenwerk“ in Karben.
Mit dem Ergebnis scheinen auch die Beschäftigten gut leben zu können: 80 Prozent der in der IG Metall organisierten Mitarbeiter stimmten vergangene Woche über den Ergänzungstarifvertrag ab. Und 76 Prozent von ihnen stimmten zu, ist Meides zufrieden.
„Mit diesen Maßnahmen stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes“, erklärt Conti-Sprecherin Denise Eichhorn. Mittelfristig könne das Werk neue Produkte platzieren. Mit der Hybridtechnik sei das Werk auch über die Zeit der Standortgarantie hinaus gut aufgestellt, sagt Betriebsratschef Meides.
Dass das Werk nicht um einen Personalverlust herumkomme, „war von vornherein rechnerisch klar“, erläutert er. Schließlich habe der Standort durch die Krise bei den Autobauern „eine volle Breitseite abbekommen“. So geht Meides davon aus, dass die derzeit bis Januar genehmigte Kurzarbeit noch bis Ende 2010 fortgesetzt werden muss. Immerhin: In einigen Fertigungsbereichen sei eine leichte Entspannung zu spüren. Von einem positiven Trend könne man aber noch nicht sprechen.
Wie ist es dann gelungen, in einer solch unüberschaubaren Zeit dennoch eine Standortgarantie bis 2014 zu bekommen? „Wir haben etwas erreicht, was in der jetzigen Phase eigentlich gar nicht erreichbar ist“, sagt Meides. Die Verhandlungen mit Conti seien hart, aber sehr fair verlaufen. Der Vertrag mit der IG Metall sei nötig, um den Standort zu sichern, erklärt Conti-Sprecherin Eichhorn. „Wir haben für die Mitarbeiter und das Unternehmen eine Basis für die Zukunft geschaffen.“
Gewerkschafter Erhardt erwartet nun, dass „Ruhe in den Standort kommt“. Dieser und seine Mitarbeiter in Karben haben unruhige Zeiten hinter sich. Einst waren in der Dieselstraße im Industriegebiet Klein-Karben mehr als 1800 Menschen beschäftigt.
„Conti setzt auf das Know-how, die Flexibilität, die Arbeitsweise und die Qualität der Mitarbeiter hier“, sagt Betriebsratschef Meides. Damit zeige der Konzern seine Wertschätzung für den Standort. Ähnliche Verträge an anderen Standorten habe Conti bisher nie gekündigt. Meides bläst genussvoll Rauch in die Oktoberluft. (den)